Wiederaufstieg eines Todgeweihten
Die Beschäftigten und ein Kaufmann haben das Möbelwerk Zeuro auf Vordermann gebracht
Das Traditionsunternehmen »Zeuro« ist auf dem Weg zu neuen Ufern. Im März vorigen Jahres hatten die Beschäftigen mit einer Betriebsbesetzung das Ausschlachten und den Untergang ihres insolventen Möbelwerkes im letzten Moment verhindert.
Marlies Rogel bekommt leuchtende Augen, wenn sie über den Weg von Zeuro aus der Krise zu neuem Ansehen berichtet. Jüngst sei sogar ein Händler aus Graz gekommen und habe Möbel gleich mitnehmen wollen, berichtet die Assistentin des Geschäftsführers mit sichtlichem Stolz. Ende Juni wurde in Berlin-Hellersdorf eine große Möbelausstellung in der Einkaufspassage »Helle Mitte« eröffnet. Gleich um die Ecke befindet sich seit April ein florierender Werksverkauf, mit dessen Eröffnung auf die Pleite des inzwischen privatisierten einstigen Zeuro-Industrieladens in Berlin reagiert worden sei. Auch in die alten Bundesländer sind die Möbel aus Zeulenroda vorgedrungen. Unter anderem in Augsburg, Nürnberg und Düsseldorf stehen Wohn- und Schlafzimmer von Zeuro in Geschäften. In der Nähe von Hof wird in Kürze ein weiterer Werksverkauf eröffnet. Auch aus Russland, einem ehemaligen Großkunden aus DDR-Zeiten, liegen erste Anfragen vor. Das alles sei aus eigener Kraft erreicht worden, betont Marlies Rogel. Als man nach zähen Verhandlungen die Produktionsanlagen aus der Insolvenzmasse kaufen konnte, stand man ohne Geld da. Da habe sich die Geschäftsbeziehung zu Markus Gail als Glücksfall erwiesen. Der aus Hessen stammende Kaufmann hatte sich in Zeulenroda als Großhändler für Elektrogeräte und Küchen niedergelassen und war im Begriff, auch Zeuro-Möbel in sein Programm aufzunehmen, als die Firma in die Insolvenz schlitterte. Die wievielte das inzwischen war, kann heute niemand mehr sagen. Die Geschäftsführer wechselten rascher als die Jahreszeiten. Einer sei aus München im Trabant angekommen und im Mercedes wieder abgereist, sagt Rogel. Andere kamen beim ersten Mal in Strickjacken, um kurz darauf in Nadelstreifenanzügen aufzukreuzen, nachdem sie in Erfurt Fördermittel kassiert hatten, ist in Zeulenroda zu hören. Der warme Regen aus staatlichen Töpfen hörte allerdings schlagartig auf, als die Beschäftigten das Ruder selbst in die Hand nahmen. Wo immer sie, unterstützt von der Gewerkschaft, vorstellig wurden, wies man sie ab. Die Firma habe viel zu hohe Schulden und keine Chance, hieß es im Erfurter Wirtschaftsministerium. Selbst der seinerzeitige PDS-Fraktionschef im Landtag, Bodo Ramelow, stieß in dieses Horn. Ein schriftliches Hilfeersuchen an Gregor Gysi blieb ohne Antwort. Die 83 Arbeitsplätze, die nach der letzten Insolvenz von einst 2800 übrig geblieben waren, hätten offenbar niemanden interessiert, sagt Rogel mit Bitterkeit in der Stimme. Die Banken hätten den Geschäftsplan zwar als sehr gut bewertet, aber dennoch Kredite verweigert. In dieser Lage steckte Kaufmann Gail die Erträge seines Großhandels in das Möbelwerk und machte das Todesurteil hinfällig. Buchstäblich über Nacht hätten die hoch motivierten Beschäftigten dann die Anlagen wieder auf Vordermann gebracht und die Musterausstellung aufgebaut, sagt der Geschäftsführer. Damit war allerdings noch nicht viel gewonnen. Die Lieferanten, die auf Forderungen sitzen geblieben waren, forderten nun vorsichtshalber Vorkasse. Einige hätten die Notlage ausgenutzt und gleich noch die Mindestabnahmemengen und Preise verdoppelt, sagt Rogel. Auch das Verhältnis zu den Abnehmern sei nicht immer einfach gewesen. Während einige an das Überleben geglaubt und sofort wieder bestellt hätten, seien andere abgesprungen. Zeuro antwortet auf seine Weise und richtet Werksverkäufe ein, wo ihnen die Möbelhäuser die kalte Schulter zeigen. Die Zeuro-Modelle warten mit klangvollen Namen auf. Bali, Capri, Sarona oder Maxima heißen sie und glänzen mit zum Teil aufwändiger Verarbeitung. »Wir liefern keine Billigmöbel«, versichert der Chef und verweist darauf, dass ausschließlich hochwertige Spanplatten aus ostdeutscher Produktion verarbeitet werden, die bis zu 40 Prozent teurer sind als die aus Osteuropa. Angesichts der Kreditverweigerung durch Banken müsse das Wachstum aus den Gewinnen finanziert werden. Jeder Euro werde sofort wieder investiert, sagt Gail. Die Zeuro-Mannschaft musste weitere Hürden nehmen, um zu überleben. Ein kaputtes Dach setzte dem Materialvorrat zu und verschlang Geld. Zu allem Überfluss musste auch noch das Heizhaus angemietet werden, weil alle anderen Abnehmer inzwischen anderweitig versorgt wurden. »Am Anfang haben wir manche Nacht im Heizhaus zugebracht, um es am Laufen zu halten«, sagt Marlies Rogel und kann heute darüber lachen. 2200 Aufträge seien inzwischen erledig...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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