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Der Überflieger von der Ostseeküste

Der Stralsunder Andreas Seyfert fuhr einst als Offizier der Volksmarine zur See. Heute gehört er jedoch zur Crème der deutschen Hubschrauberpiloten bei Weltmeisterschaften im Geschicklichkeitsflug.

  • Stefan Tesch, Stralsund
  • Lesedauer: ca. 6.0 Min.
Der Wind bläst steif auf dem Flugplatz, in Spitzen 25 Knoten. Doch Andreas Seyfert aus Stralsund, als Cupverteidiger zum Air Lloyd Cup 2005 nach Halle-Oppin gekommen, stört das nicht. Im Schwebeflug wirft er zielgenau Sandsäcke in Fässer ab, gruppiert volle Biergläser auf engen Säulen um, schlängelt Wassereimer an einem Tau durch sieben Tore und erhascht mit der Kufe Reifen, die an Stangen hängen. Alles von der Luft aus, alles im Fliegen.
Seyfert war an diesem Tag gut drauf. Er gehörte seit kurzem zur Nationalmannschaft. Der Wettkampf diente ihm und seinem Copiloten Benno Schultz vom »Heli Team Nord« als Test für die Helikopter-WM letzten Sommer im französischen Rouen. Und hier klappte es dann auch prächtig. Seit langem mal wieder erkletterten die deutschen Drehflügler in der Teamwertung das Treppchen - sie wurden Dritte hinter Russland und Frankreich.

Hubschrauberpilot
im Schnellverfahren
Seyfert freut sich darüber noch heute wie ein großer Junge. So wie er gewissermaßen wie ein großer Junge überhaupt zum Fliegen kam. Er hatte als Vater wie als Trikotsponsor die Fußballelf von Sohnemann Michael in die USA begleitet. Bei einem Barbecue kam er dann mit einem Herrn ins Gespräch, der ihn plötzlich zu einem Hubschrauberflug einlud. Er sagte begeistert zu, doch als der Mann ihm dann in 3000 Fuß Höhe das Steuer überließ, glaubte er sich im falschen Film: »Ich hatte noch nie in einem Helikopter gesessen, geschweige ihn geflogen«, grient er heute darüber. Offenbar hatte der Mann da etwas falsch verstanden.
Seyfert wagte es aber - und seither ließ ihn die Fliegerei nicht mehr los. Im März 2000 machte er in Neubrandenburg seinen Flugzeugschein und nur Wochen später in Berlin auch den für Heli-Piloten. Für letzteren brauchte er gerade mal zehn Tage: »Das sei deutscher Rekord, sagte man mir.«
Solch ein extravagantes Hobby ist indes nicht billig, zumal man eine jährliche Pflichtstundenzahl benötigt, um den Flugschein verlängert zu bekommen. Für Seyfert offenbar aber nicht wirklich ein Problem. Er musste sich halt beruflich etwas einfallen lassen, schließlich hatte er seit der Wende immer wieder neue Firmen gegründet. In seiner ersten, einem Elektronikhandel, setzte er noch vor der Währungsunion in der sprichwörtlichen Garage - hier war es ein Heizhausnebenraum - Hunderttausende Mark um. Später begann er, Hubschrauber-Events auszurichten. Beispielsweise organisierte er in gecharterten Maschinen Rund- und Schauflüge - und beim Überführen der Helikopter ließen ihn dann die Berufspiloten oft ans Steuer. Damit lernte zugleich verschiedene Heli-Typen kennen und zugleich auch die Eigenheiten der verschiedenen Piloten. »Das war eine gute Schule«, erzählt Seyfert. Sein Selbstbewusstsein wuchs so derart schnell, dass er sich schon 2001 - er flog noch kein Jahr - zu den Deutschen Meisterschaften im Hubschrauberfliegen anmeldete. »Nur nicht letzter werden!«, hieß sein Kampfziel. Am Ende ließ er tatsächlich noch zwei Starter hinter sich.
Mittlerweile gehört er zur Crème der Republik, die sich regelmäßig in Bayern, Hessen und auch immer mal auf dem kleinen Stralsunder Sportflugplatz trifft. Hier steht nun auch sein eigener kleiner Hubschrauber, ein Hughes 300 aus zweiter Hand. Um die 150 Stunden im Jahr fliegt Seyfert heute, teils auch für Luftbilder oder luftige Filmaufnahmen. Selbst eine Flugschule stellte er auf die Beine.

Ingenieur, Lehrer,
Tüftler und Bastler
So mag mancher gar nicht glauben, dass der 48-jährige ursprünglich in ganz anderen Höhenlagen zu Hause war. Beruflich begann alles unter Tage, in einem Kalischacht bei Mansfeld, wo er Elektromonteur lernte. Im Berg hielt es ihn aber nicht lange; es trieb ihn mit Macht zur Küste. Er heuerte auf dem Segelschulschiff »Wilhelm Pieck« an, studierte dann an der Volksmarineschule in Stralsund. Das Patent als nautischer Offizier machte ihn zugleich zum Verkehrsingenieur. Nach Feierabend vertiefte er sich oft noch in die Schiffselektronik, und auch wenn auf See mal die Maschine muckte, machte er sich »gern mal die Hände dreckig«. Dieses Interesse fiel auf. Mit gerade 26 Jahren berief man ihn bereits als Lehrer an seine Marineschule. Hier scharte er alsbald Studenten um sich und tüftelte mit ihnen an kleinen Neuerungen. Er bekam sogar ein eigenes kleines Forschungsbudget. »Aus dieser Zeit rühren noch meine ersten Patente«, lacht er.
Dann aber kam Gorbi - und Seyfert ging. Militär war ihm plötzlich nichts mehr. Er verließ die Volksmarine noch zu DDR-Zeiten. Lehrer wollte er bleiben, auch weiter im Elektronikmetier, hatte er doch nebenher noch sein Diplom als Ingenieur für Regelungstechnik gemacht. So wechselte er an die Berufsschule des Stralsunder Hydraulikinstandsetzungswerkes. Doch die nahende Wende zwang auch ihm eine weitere Wende auf: Er war kein ausgewiesener Pädagoge, seine Perspektive also ungewiss.
»Das war das die Geburtsstunde für meine Selbständigkeit«, erinnert er sich. Seyfert war der Dritte, der im Frühjahr 1990 in Stralsund ein privates Gewerbe anmeldete - jenen Elektronikhandel. Später übernahm er zwischenzeitlich eine Firma, die Stahlseile konfektioniert. Er gründete tatenhungrig eine »bis heute gut laufende« Werbeagentur, und als diese in ruhigem Fahrwasser schipperte, begann sein Aufstieg in höhere Gefilde - zunächst beim Hochbau. Er makelte mit Immobilien, managte den Bau einer neuen Siedlung, agierte als Bauplaner und Bauleiter. Schließlich wurde er gar sein eigener Architekt. Sein Geschäftshaus in Hafennähe, in dem drei seiner vier Firmen sitzen, konstruierte er sich de facto am Computer selbst.
Und jene »Bauphase« führte ihn schließlich noch ein Stück höher - nun gar der Sonne entgegen. Denn zu den Immobilien, die seine Firma verwaltet, gehört das einstige Wohnheim der Volkswerft Stralsund, heute ein Studenteninternat. Hier störten ihn bald die latent steigenden Betriebskosten, so bei Warmwasser und Heizung: »Mir war klar, hier muss ich etwas tun!« Abhilfe schaffen sollten 65 Sonnenkollektoren auf dem großen Flachdach. Er suchte eine Firma, die das besorgt. Doch bald hatte er das Gefühl, »die wollen mir nur alle ein Anlage für eine Eigenheimhälfte verkaufen«.
Also kam sein Basteltrieb wieder durch. Er vertiefte sich in die Materie, sammelte erneut interessierte Studenten um sich. Und nach einem durchgrübelten Winter glaubte er zu wissen, woran übliche Solarthermie-Anlagen kranken. »Die Kollektoren gehen nicht mit der Sonne mit und die Regelungstechnik ist fast vorsintflutlich.« Nicht zuletzt fand er die Zwischenpuffermöglichkeiten für das erwärmte Wasser unbefriedigend, den Wirkungsgrad der Kessel zu niedrig.

Sonnenkollektoren
für Flachdächer
Das war im Februar 2005. Wenig später reichte er zwei neue Patente ein, nun also zur Solarthermie. Einmal geht es um Kippkollektoren für Flachdächer, die über einen Nachführmechanismus den Weg der Sonne mitgehen können und nach ersten Tests »27 Prozent Mehrertrag bringen sowie sich nach gut drei Jahren amortisieren«. Und zum anderen entwickelte er einen neuen Schichtenspeicher, in dem durch eine sehr hohe Strömungsgeschwindigkeit das solar erwärmte Wasser »jeweils in die Schicht eingespeist wird, wo es hingehört - etwa 30 Grad warmes Wasser für Fußbodenheizungen, 60 Grad heißes Wasser für Wasserleitungen«, erläutert er.
Ergänzt um eine überarbeitete Steuerung, erhofft sich der Stralsunder damit nun »gute Chancen, bald europaweit im Markt Fuß zu fassen«. Potenzielle Abnehmer für die selbst entwickelten System sieht er nicht wenige: Krankenhäuser, Hotels, Molkereien oder größere Wohngebiete Seine neue Firma Seysol, seine vierte nun also schon, liefert hierfür nötige Steuerungen ebenso wie Software und Wirtschaftlichkeitsberechnungen.
Ob er noch höher hinaus will? Seyfert lacht, wirkt dabei wie ein großer Junge, der nicht älter werden will - stets spontan, lustig, schnell begeisterungsfähig für Neues. Seine beiden Kinder Christina und Michael steckte er damit schon an, integrierte sie mittlerweile in den Firmen. Und bei alledem bleibt ihm noch immer Zeit für Dinge, die andere einen ganzen Arbeitstag lang auslasten würden: Er ist Vizepräsident der IHK Rostock sowie Chef des Management- und Marketingvereins »Die Region Vorpommern e. V.« Seine Leidenschaft hierfür bringt er gern auf einen griffigen Satz: »Wir wollen, da...

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