Klimakiller in den Tank

Neue Verfahren produzieren mit Solarenergie Ethanol aus CO2 und Wasser

  • Elke Bunge
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Umwandlung von unerwünschten Klimakillern in umweltfreundliche Energieträger wäre eine perfekte Lösung für etliche Umweltprobleme. Die EU hat sich vorgenommen, die CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 bis zum Jahre 2030 um 40 Prozent zu senken. Der Weg dahin ist allerdings ziemlich unverbindlich. Doch vielleicht hilft die Chemie da weiter: Ein Team von der Universität Stanford um den Chemiker Matthew Kanan hat eine Methode entwickelt, mithilfe derer Ethanol elektrochemisch aus CO2 und Wasser hergestellt werden kann.

Der bisher einzige Weg, um aus Kohlendioxid Ethanol zu gewinnen, verläuft über die Vergärung von Pflanzen, die das CO2 zuvor mittels Fotosynthese in Biomasse verwandelt hatten. Dieses sogenannte Bio-Ethanol kann dann als alternativer Kraftstoff in Ottomotoren verwendet werden. »Die Gewinnung von Bio-Ethanol wird durch die Effizienz der Fotosynthese beschränkt«, erklärt Kanan. Einen sinnvolleren Weg, der zudem keine Nahrungsmittelressourcen verbraucht, sieht die Forschergruppe in der direkten Umwandlung von CO2 zu Ethanol. Dieser Weg führt über eine elektrochemische Zelle. Schon 1870 gab es die erste Publikation zu diesem Thema. Der bislang einzig gefundene chemische Weg von CO2 zu Ethanol verbrauchte jedoch zu viel Energie und ergab eine Vielzahl unerwünschter Nebenprodukte. Gearbeitet wurde in dem entscheidenden Syntheseschritt mit einer Kupferelektrode.

Die Wissenschaftler um Kanan haben die Oberfläche dieser Elektrode modifiziert. Dieser speziell entwickelte Katalysator ermöglicht die »Traumreaktion« der Chemiker. Um die Reaktion ablaufen lassen zu können, reicht nun bereits eine geringe Energiezufuhr. »Wir haben ein Material gefunden, das über eine zweistufige elektrochemische Reaktion aus CO2 Ethanol produziert. Im ersten Schritt wird aus Kohlendioxid Kohlenmonoxid gewonnen, im zweiten Prozessschritt konnten wir durch die spezielle Elektrode aus Kohlenmonoxid und Wasser Ethanol erzeugen. Um diese Reaktion ablaufen zu lassen, wird Energie benötigt, die wir aus erneuerbaren Quellen, wie Solarzellen oder Windkraftanlagen, erhalten können«, so Kanan, »damit wäre dem wachsenden Problem der Speicherung überschüssiger Energien wesentlich geholfen«. Bei Bedarf kann dann das Ethanol als Treibstoff in Verbrennungsmotoren oder zur Stromproduktion in Brennstoffzellen eingesetzt werden. Die Forscher, die ihre Arbeit in der Fachzeitschrift »Nature« (DOI: 10.1038/ nature13249) veröffentlichten, sagen, dass sie die Eigenschaften des neuartigen Materials noch genauer untersuchen wollen. »Wir haben ein nanokristallines Material entwickelt, das hoch geordnete atomare Bereiche hat, die sich mit unstrukturierten Zonen abwechseln. Gerade dieser Wechsel scheint die besonderen Eigenschaften der Elektrode auszumachen. Wir arbeiten daran, den Mechanismus dieses besonderen Materials besser zu verstehen, um damit auch in Zukunft effektivere Katalysatoren zu gewinnen.«

Eine andere vielversprechende Alternative verfolgen derzeit Forscher des U.S. Naval Research Laboratory (NRL) der US-Marine. Das Forscherteam nutzt dabei das im Meerwasser gelöste Kohlendioxid direkt aus. Das Team um die Chemikerin Heather Willauer erklärt: »Die Konzentration von Kohlendioxid ist im Meerwasser um ein Vielfaches höher als in der Luft. Sie liegt im Meerwasser bei 100 Milligramm pro Liter Kohlendioxid, in der Luft dagegen nur bei 0,7 Milligramm pro Liter.« Dabei kommt das CO2 im Meerwasser zum größten Teil als Hydrogenkarbonat vor, das bei der Zersetzung ebenfalls Wasserstoff abgibt. Auch hier wird mit einem elektrochemischen Prozess gearbeitet, der an der einen Elektrode Kohlendioxid entstehen lässt, an der anderen Elektrode wird gleichzeitig energiereicher Wasserstoff gewonnen.

Auch dieser Schritt verläuft nur mittels von außen zugeführter Energie und ist somit ein Energiewandler. Da keine weiteren chemischen Zusätze notwendig sind, kann das verwendete Meerwasser direkt wieder ins Meer abgelassen werden. In einem zweiten Prozessschritt lassen sich mithilfe eines speziellen Katalysators der energiereiche Wasserstoff und das Kohlendioxid katalytisch zu unterschiedlichen Produkten überführen. Je nachdem, ob der Katalysator aus Kobalt, Nickel, Kupfer oder Eisen besteht, entstehen Methan, Methanol oder Olefine. Ein dritter Prozessschritt lässt mit Hilfe moderner Silikatverbindungen schließlich den Flugzeugkraftstoff JP-5 entstehen. Diese Form des Kerosins - im NATO-Code F 44 genannt - ist ein Kraftstoff mit einer höheren Zündtemperatur und daher für den Einsatz auf Flugzeugträgern bevorzugt. »Wir transportieren jährlich etwa 600 Millionen Gallonen (2,27 Milliarden Liter) Kraftstoff zu all unseren Schiffseinheiten, die auf den Weltmeeren im Einsatz sind. Kraftstoffproduktion vor Ort aus erneuerbaren Energien wie der Solarenergie könnten zu erheblichen Einsparungen und zu einer deutlichen Reduktion der Umweltbelastung führen«, meint Willauer. Die prognostizierten Kosten des so hergestellten Flugzeugtreibstoffs liegen nach Angaben der US-Wissenschaftler nur geringfügig über dem Einkaufspreis des konventionell aus Erdöl produzierten Kerosins, bei dem die Marine aber noch zusätzlich Transportkosten hat.

Im Labor gelang die Kerosinsynthese bereits, mit einer effektiven Produktionseinheit rechnen die NRL-Forscher im Jahre 2021. Über die notwendige Energiezufuhr bei ihrem Verfahren machen sie allerdings keine Angaben. Sollte diese niedrig genug sein, hätte das Konzept vielleicht auch für die zivile Nutzung eine Zukunft, etwa als Ergänzung großer Offshore-Windparks.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal