Kein Frieden in Friedenfelde

  • Matthias Bruck
  • Lesedauer: 3 Min.
Historische Pflasterstraßen in märkischen Dörfern entzücken Ausflügler. Die Einheimischen aber leiden oft unter Lärm. Im uckermärkischen Friedenfelde gibt es nun handfesten Streit.

Die Kastanienbäume an der Dorfstraße stehen in voller Blüte, schmucke Bauernhäuser und ein altes Gutshaus mit Café säumen den Straßenrand. Friedenfelde in der Uckermark wirkt verschlafen und idyllisch. Doch der Schein trügt. In dem nicht einmal 100 Einwohner zählende Dorf ist Streit um die alte Dorfstraße entbrannt. Der Landkreis Uckermark will die 400 Meter lange Pflastersteinstraße erneuern lassen. Viele Alteingesessene wünschen das, die zugezogenen Berliner eher nicht.

Der Landkreis Uckermark wollte zuerst Asphalt für die Straße. »Wir wollten eine Mischung aus Asphalt und Pflaster, und so wurde es beschlossen«, berichtet der Inhaber des Cafès im Gutshaus, Oliver Nowatzki. Doch einige wenige Anlieger forderten dann den kompletten Erhalt des Pflasters. Sie gründeten eine Bürgerinitiative und starteten eine Onlinepetition gegen die geplante neue Straße.

Die Petition wird mittlerweile von Prominenten unterstützt, darunter Naturschützer Michael Succow, Dokumentarfilmer Volker Koepp und der ehemalige Landeskonservator Detlef Karg. »Wir wollen die Straße erhalten. Der historische Charakter des Ortes würde ohne sie Schaden nehmen«, sagt auch Bildhauer Maximilian Klinge. Seine Familie habe ein Faible fürs Historische und hier schon mehrere Gebäude saniert, ergänzt er.

Die Mehrheit im Ort ist ziemlich sauer auf die Bürgerinitiative. »Wenn hier die schweren Trecker und Lkw durchfahren, die die Silos des Landwirtschaftsbetriebes befüllen, gibt es einen ohrenbetäubenden Krach«, klagt Frank Hannasky. »Da warten wir zehn Jahre auf die neue Straße. Nun soll sie kommen und eine Gruppe von Berlinern, die hier nur am Wochenende ist, will uns das kaputt machen«, schimpft er. »Nur weil sie Angst um ihre Idylle hat. Wir müssen aber jeden Tag hier lang fahren.«

Bildhauerin Karla Gänßler, die direkt an der Straße in der alten Dorfschule wohnt, war zunächst für den Erhalt der Pflasterstraße und hat vom Landkreis eine denkmalgerechte Sanierung verlangt. Doch als ihr ein Statiker sagte, dass sie langfristig um ihr altes Hauses fürchten müsse, wenn die Erschütterungen nicht aufhören, hat sie umgedacht. Sie startete eine Umfrage im Ort: Über 80 Prozent seien für die neue Straße, sagt sie. Das Ergebnis sei eindeutig.

»Diese Umfrage ist manipuliert, sie hat einen Teil der Einwohner nicht gefragt. Und auch noch die Bewohner des Nachbarortes mit einbezogen, die überhaupt gar nichts damit zu tun haben«, tut Autor und Filmemacher Dieter Bub das Ergebnis ab. Er wohnt auf einem Hof 900 Meter vom Ort entfernt und unterstützt die Bürgerinitiative. Die hat jetzt beim Landesamt für Denkmalpflege beantragt, die Straße unter Denkmalschutz zu stellen. »Das geht zu weit. Wenn sie es wirklich schaffen, dann wird es hier richtig böses Blut geben«, erwartet Frank Hannasky.

Als nun auch der Bund für Umwelt und Naturschutz eine Klage gegen den Straßenbau androhte, zog Landrat Dietmar Schulze (SPD) den Plan zurück. »Wir werden die Straße nicht bauen. Das Geld muss in diesem Jahr ausgegeben werden, bei einem langwierigen Gerichtsverfahren geriete das in Gefahr«, sagt er. »Es gibt genug Gemeinden in der Uckermark, wo mir ein roter Teppich ausgelegt wird, wenn ich dort die Dorfstraße sanieren lasse«. Als Cafébetreiber Nowatzki das erfuhr, erteilte er Familie Klinge Hausverbot. dpa

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