Klein-Europa in den Sand setzen

Interessengruppe will »Euroworld« errichten und verspricht 25 000 Jobs - Finanzierung unklar

  • Andreas Heinz
  • Lesedauer: 3 Min.
Mitten in den märkischen Sand soll Europa im Kleinformat gesetzt werden - aber Europa weiß noch nichts davon. Eine Gruppe von Unternehmern, darunter ein Ex-Hotelmanager und der Präsident der Preußischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg, Volker Tschapke, will auf dem Gelände des ehemaligen sowjetischen Flugplatzes in Sperenberg (Kreis Teltow-Fläming) die »europäische Staatengemeinschaft auf 45 Quadratkilometern maßstabsnah nachbauen«. Nach den Plänen könnten sich die Länder in »Euroworld« im Maßstab 1:800 mit »typischen Landschaften und Kulturen« präsentieren, so Geschäftsführer Jürgen Kahl. Hotels, Kongresszentren, Sportanlagen und ein Flugplatz sollen entstehen, ebenso ein Freizeitpark. Ihr Areal müssten die Länder aber selbst erwerben und den kontaminierten Boden auf eigene Kosten reinigen lassen. Die Staatenvertretungen seien informiert und zeigten Interesse. ND fragte bei einigen Botschaften nach. Bei den Briten war von solchen Ideen nichts bekannt, ebenso wenig bei der italienischen Botschaft. Kopfschütteln auch bei Tschechien. Allein in der spanischen Botschaft wusste man von einer »Euroworld«-Anfrage über etwaige Ansprechpartner. Mehr aber auch nicht. Das Brandenburger Finanzministerium sei »nicht involviert«, hieß es auf Anfrage, da »Euroworld« ohne Fördermittel auskommen wolle. Das Gelände befinde sich aber noch in Bundesbesitz. Die Landfläche war als Ausweichmöglichkeit für den Großflughafen Berlin-Brandenburg in Schönefeld vom Bund zurückgehalten worden. Vor der Verwirklichung der »Euroworld«-Pläne, die bis 2011 umgesetzt sein sollen, müsse das frühere Militärgelände aber noch grundlegend dekontaminiert werden. Der Grund sei hochgradig vergiftet, außerdem lägen zahlreiche Bombenblindgänger im Boden. Die Kosten für die Säuberung werden von Experten auf etwa 350 Millionen Euro geschätzt. Der für den Bau von Klein-Europa kalkulierte Betrag von etwa 7,5 Milliarden Euro soll von noch nicht bekannten Investoren aufgebracht werden. 58 Prozent seien für eine Realisierung notwendig, so Geschäftsführer Kahl. Bislang seien 35 Prozent der zu bebauenden Fläche mit so genannten »Letters of Interest« platziert, juristisch unverbindlichen Interessenbekundungen. Um wen es sich handelt, wollte er nicht sagen. Bis zum 30. September soll feststehen, ob die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ihre Vorstellungen überhaupt realisieren kann. In einem »Extrabrief« mit dem Kopf der Preußischen Gesellschaft («Pro Gloria et Patria«) wirbt Tschapke: »Ab dem Jahr 2011 präsentiert sich unser alter, doch hoffnungsvoller Kontinent en miniature in Preußen-Brandenburg. Zum Tragen kommen die drei großen T, die Ministerpräsident Matthias Platzeck in seiner Hauptstadtrede erläuterte und in einem Gespräch mit mir vertiefte: Sie stehen für Technologie, Talente, Toleranz und entscheiden über den Erfolg einer Region im 21. Jahrhundert.« Die Initiatoren rechneten mit der Schaffung von 25 000 Arbeitsplätzen. Das sei mehr als ein »warmer Regen« für die strukturschwache Region, meint Tschapke.
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