Die Stadt und ihr Eisen - wie aus einem Guss

Elisabeth Bartel hegt im Stadtmuseum Berlin Schweres und Federleichtes / Ein Magnet ist ihr hilfreicher Begleiter

  • Almut Schröter
  • Lesedauer: ca. 5.0 Min.
Elisabeth Bartel öffnet Schränke und Schubladen. Sie ist im Stadtmuseum Berlin für die Sammlungen Eisenguss, Schmuck und Lackarbeiten zuständig und weiß sehr viel über die Stücke, die sie hegt und nur mit weißen Handschuhen berührt. Selbst für sie bleibt immer noch die Spur Neugierde auf Entstehungsart und -orte. Sie lächelt versonnen, wenn sie ihre Schätze zeigt. Wahrscheinlich ist sie die einzige Berlinerin, die sagt: »In meiner Tasche ist immer ein Magnet, damit ich mein Eisen sicher erkennen kann.« Irrtum ausgeschlossen. Nur Nickel und Kobalt werden sonst noch magnetisch angezogen.
Die 42-jährige Museologin führt durchs Depot im Ephraim-Palais im Nikolaiviertel und ist in ihrem Element. Ein Stuhl aus Eisenguss ist halb eingepackt. »Der verreist nach Milwaukee in den USA für eine Biedermeier-Ausstellung im August«, sagt sie. »Gut geschützt muss er sein. Gusseisen bricht leicht wie Porzellan.« Scherzhaft fügt sie hinzu, es sei Schinkel-Jahr, da werde sie geradezu geplündert. Alle Welt will auch Handwerkskunst, auf die der Meister Einfluss nahm, in Ausstellungen zeigen. Beispielweise eine Bank nach Schinkels Entwurf von 1820 aus der Gießerei Lauchhammer. Sicher war sie einmal für die Rast in einem Garten gefertigt worden. »Nachgüsse dieser Gartenmöbel standen übrigens lange in der Schinkel-Stube im Palast der Republik«, erzählt die Museumsfrau.
Eine Glocke von 1818 ist verhüllt. »Eisengussglocken waren früher eine preiswerte Variante. Glocken waren die wichtigsten Zeitmesser, überall im Ort zu hören. Kaum jemand hatte damals eine eigene Uhr.« Fast liebevoll spricht sie vom berühmten Berliner Eisen. Überall in der Stadt treffe man es an. »Auf Schritt und Tritt. Wir wollen, dass dies wieder ins Bewusstsein rückt. Es wurde beim Bau der Alten Nationalgalerie verwandt. Auch das Kreuzbergdenkmal von Karl Friedrich Schinkel ist ein gusseisernes Monument.« Um viel Wissenswertes zeigen zu können, hätte Elisabeth Bartel am lieb- sten, dass dieses Thema ständig in einer Ausstellung zur Berliner Stadtgeschichte vertreten ist. »Berlin und sein Eisen sind doch wie aus einem Guss«, argumentiert sie.
Bereits 1796 war in Schlesien die erste preußische Gießerei eröffnet worden. 1804 folgte die Berliner vor dem Neuen Tor in der Invalidenstraße. Das dritte Königlich Preußische Unternehmen war dann die Sayner Hütte ab 1815. An der Invalidenstraße wurde die Königliche Gießerei 1874 wieder geschlossen, weil der Bedarf an ihren speziellen Produkten nachließ. Um diese Zeit öffnete das Stadtmuseum als Märkisches Provinzial-Museum. Das sei ein Glücksfall gewesen, meint Elisabeth Bartel. So kam noch einige Jahre später vieles ins Museum. In Kriegswirren sind später einige Stücke zerstört oder verbrannt worden. Kunst aus Gusseisen war nicht attraktiv als Beute - nicht kostbar genug und viel zu schwer. Ein glücklicher Umstand für Sammlungen dieser Art.
Fer de Berlin, der Berliner Eisenguss, zeigt sich auch als Laterne oder als Säule auf S-Bahnhöfen. Eisengitter, Tür- und Fensterangeln wurden früher aus dem Guss gefertigt wie Zaun- und Kamingitter fürs Berliner Schloß. 1848 klauten die kämpfenden Bürger während der Revolution für den Barrikadenbau stabile Eisengitter kur- zerhand aus der Königlichen Eisengießerei. Man schätzte die Qualität des Berliner Eisens aber damals eigentlich mehr bei Haus- haltsutensilien in der Küche, ebenso als Schmuckteller oder »Nachtuhr«, hinter die man eine Kerze stellte, um das Zifferblatt erkennen zu können, wenn es duster war. Verbannt ist Gusseisernes aus dem Haushalt heute nicht völlig. Mancher Koch schwört auf seinen schweren Bratentopf oder die eiserne Pfanne. Allerdings längst nicht mehr in Berlin gegossen.
Geschütze, Rohre, Munition oder Ofenplatten mit Relief hatte man schon gegen Ende des 18. Jahrhunderts hergestellt. Zu welcher Blüte das Gusseisen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelangte, zeigte die Ausstellung »Berliner Eisen: Geschichte eines königlichen Unternehmens 1804-1874« Ende 2004 im Märkischen Museum. Zum Bestaunen ausgelegt waren Eisenschmuck, Plaketten, Skulpturen, Schreibzeug, ein Schachspiel.
Noch mehr lagert in Elisabeth Bartels Schränken - vom Visitenkartenständer und Briefbeschwerer, auf dem ein Hund die Depeschen bewachte, bis zu Friedrich II. in verschiedenen Größen. »Im Überschwang ist sogar eine historisch verfälschte Darstellung angefertigt worden. Da steht Friedrich II. Napoleon gegenüber«, amüsiert sich die 42-Jährige. Mit zahlreichen Büsten findet man »F II.« verewigt. Solcherart Verehrung wurde ebenfalls reichlich der Königin Luise zuteil. Eine gusseiserne Sonnenuhr wurde immerhin mit Christian Möllinger, einem bekannten Berliner Hofuhrmacher, in Zusammenhang gebracht. Funktioniert haben soll sie trotzdem nur bei schönem Wetter. So manches Gusseiserne wurde mit der Farbe von Bronze Kupfer versehen, um es kostbarer wirken zu lassen. Oder man behandelte die Oberfläche mit einem matten schwarzen Firnis, dem sogenannten Berliner Lack.
Die Eisenschmucksammlung will die Museologin unbedingt noch zeigen. Wieder zückt sie ihre Handschuhe, bevor sie Schubladen öffnet. In Seidenpapier lagert Filigranes. Schmuck, den beispielsweise Siméon Pierre Devaranne in Berlin anfertigte. Wir dürfen eine Kette bewundern, für die der Meister ein Schmetterlingsmotiv wählte. Sie wiegt nur zwölf Gramm!
Gewichtige Politik lauert ebenfalls in den Schubladen. Prinzessin Marianne von Preußen hatte 1813 die preußische Frau dazu aufgerufen, auf ihren Goldschmuck zugunsten des Landes zu verzichten. So tauschte die Weiblichkeit Gold und bekam dafür Eisenschmuck, der die Spenderin auswies. Die Stücke trugen die Aufschrift »Gold gab ich für Eisen«. Patriotismus und Mode verschmolzen. Man zeigte seinen persönlichen Beitrag zur Unterstützung der Befreiungskriege und fand sich schick. Auch nach deren Ende 1815 trug man Eisenschmuck gern. Der Staat griff zu dieser Gewinn bringenden Tauschmethode wieder 1914, diesmal für den Ersten Weltkrieg.
Obwohl man so viel weiß über das phosphorreiche Berliner Eisen, bleibt seine Herstellung mit Geheimnissen verbunden, weil das »Rezept« nicht verraten wurde. Oft kopiert, nie erreicht. Niemandem, der es versuchte, gelang der Guss in derselben Qualität wie in der Königlichen Eisengießerei an der Invalidenstraße. Also wird auch mit der Ende 2007 geplanten großen Schau des Stadtmuseums, die viel mehr als Kunst aus Eisen zeigen will, nicht alles aufgeklärt.
»Irgendwann will ich unbedingt ein Praktikum in einer Eisengießerei machen«, meint Elisabeth Bartel unternehmungslustig. In 23 Berufsjahren beim Stadtmuseum blieb dieser Wunsch offen. Einfach sei es nicht, an so etwas ranzukommen. Frauen sind in solchen Betrieben kaum anzutreffen. Dann kommt prompt, was man ahnte: »Gießer lassen sich nicht gern über die Schulter sehen.«

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