Gavrilo Princip

LESEPROBE

  • Lesedauer: 2 Min.

Die tödlichen Schüsse des bosnisch-serbischen Revolutionärs Gavrilo Princip auf den habsburgischen Thronfolger Franz Ferdinand von Österreich-Este und seine Frau Sophie Chotek, Herzogin von Hohenberg, sind Tausende Male beschrieben worden ... Allein: An harten Quellen liegt nicht viel vor. Das liegt auch in der Natur der Sache. Zu den Grundregeln der Konspiration gehört es, Spuren möglichst zu verwischen. Die Hintermänner in Belgrad, der eigengesetzliche Militärgeheimdienstchef Dragutin Dimitrijevič-Apis und seine Clique, vermieden es tunlichst, irgendetwas schriftlich festzuhalten. Die serbische Regierung, die das Attentat nicht aufzuhalten vermochte, war schließlich an maximaler Vertuschung interessiert, als das Malheur nun schon einmal in der Welt war.

Princip und seine Gesinnungsgenossen in Sarajevo waren hochpolitische junge Leute. Sie hatten eine - wenn auch nicht besonders ausgereifte - Ideologie und sie besaßen die Leidenschaft, sie offensiv zu vertreten ... Mich interessiert ihre geistige Entwicklung, wie sie sich für die Literatur der Avantgarde begeisterten - einer von ihnen, Ivo Andrič, sollte Jahrzehnte später den Literaturnobelpreis erhalten - und wie sie sich unter den Bedingungen der Okkupation radikalisierten ...

Es ist ein Werk, das sich aus den Erfahrungen und Obsessionen speist, die ich in meiner mehr als 20-jährigen Tätigkeit als Korrespondent im zerfallen(d)en Jugoslawien und im Nahen Osten in mir akkumuliert habe ... Möglicherweise bin ich nicht unbefangen. Die Tragödie Sarajevos, die Zerstörung Bosniens im jugoslawischen Nachfolgekrieg der 1990er Jahre ging mir sehr nahe ... In Bagdad, wo ich von 2003 bis 2005 war, erlebte ich wiederum sehr unmittelbar, wie sich Okkupation anfühlt ... Terrorismus, fremde Besatzung, gescheiterte Staaten, unsichere und intransparente internationale Verhältnisse: Immer wieder stieß ich bei den Recherchen zu diesem Buch auf Phänomene, die 100 Jahre später beunruhigende Assoziationen zu Gegenwartserscheinungen wecken.

Aus Gregor Mayer »Verschwörung in Sarajevo. Triumph und Tod des Attentäters Gavrilo Princip« (Residenz, 159 S., geb., 12,99 €).

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -