Der Verfassungsschutz hat Hausverbot

Im Potsdamer Jugendzentrum »freiLand« sind Geheimdienstler und ihre Zuträger nicht erwünscht

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Beim Verfassungsschutz heißen die inoffiziellen Mitarbeiter V-Leute und die hauptamtlichen Mitarbeiter sind Beamte. Davon abgesehen geht es ums Ausspähen.

Der Landtagsabgeordnete Norbert Müller (LINKE), bundesweit bekannt geworden, als er den Bundespräsidenten Joachim Gauck einen »widerlichen Kriegshetzer« nannte, kümmert sich weiter um den Verfassungsschutz. Seit der junge Mann im vergangenen Jahr ins Parlament nachrückte, stellte er bereits mehrfach parlamentarische Anfragen zum Geheimdienst. Jetzt erheischte er Auskunft über eine eventuelle Beobachtung des Potsdamer Jugendzentrums »freiLand«.

»Veranstaltungen von Initiativen, Vereinen und Projekten auf dem Gelände des ›freiLand‹ sind kein Beobachtungsgegenstand des brandenburgischen Verfassungsschutzes«, beteuerte Innenminister Ralf Holzschuher (SPD). Müller hatte zuvor in seiner Anfrage aus einer Erklärung der Nutzer des Grundstücks zitiert, wonach Veranstaltungen des Vereins »Spartacus« auf dem Gelände »nachweislich« vom Verfassungsschutz beobachtet worden seien. Auch ein Werbemotiv dieses Vereins sei »ohne Angaben von Gründen im aktuellen Verfassungsschutzbericht dokumentiert« worden. Die Betreiber des Kulturzentrums hätten daraufhin Mitarbeitern des Verfassungsschutzes gegenüber ein »Hausverbot« ausgesprochen und bei Zuwiderhandlungen »rechtliche Mittel« angedroht.

Der Innenminister wiederholte: »Die Verfassungsschutzbehörde sammelt keine Daten zu Veranstaltungen im ›freiLand‹. Dass an einer Veranstaltung auch Extremisten beziehungsweise des Extremismus Verdächtige teilnehmen, macht die Veranstaltung nicht per se zu einer extremistischen.« Insofern seien auch die im »freiLand« angesiedelten Initiativen, Vereine und Projekte kein Beobachtungsgegenstand für den Verfassungsschutz. Aber, um genau zu sein: Wenn beim Geheimdienst vermerkt sei, dass jemand an einem bestimmten Tag an einer Veranstaltung im »freiLand« teilgenommen habe, »dann weil zu dieser Zeit bereits eine andere Speicherung vorliegt, aus der sich ein tatsächlicher Anhaltspunkt für eine Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ergibt.«

Müller wollte wissen: »Wie gedenkt die Landesregierung mit der Tatsache umzugehen, dass hauptamtlichen, aber auch inoffiziellen Mitarbeitern des Verfassungsschutzes ein Hausverbot ausgesprochen wurde?« Der Innenminister antwortete: »Das Hausverbot wurde zur Kenntnis genommen. Die Begriffe hauptamtliche und inoffizielle Mitarbeiter sind allerdings der Terminologie der Staatssicherheit entlehnt. Der Verfassungsschutz ist dagegen grundgesetzlich verankerter Teil der wehrhaften Demokratie und nicht mit der Staatssicherheit gleichzusetzen.«

Der Abgeordnete Müller erläutert, dass das »freiLand« im Jahr 2011 mit Unterstützung der Stadt Potsdam und der Stadtwerke eröffnet und seither durch die »Cultus UG« betrieben werde. Das Jugend- und Kulturzentrum sei im vergangenen Jahr durch die Stadt positiv bewertet worden, was zur Entscheidung geführt habe, die Förderung fortzusetzen. Ihren Sitz haben in dem Zentrum unter anderem der Sozialistische Jugendverband »Die Falken«, der Verein zur Förderung akzeptierter Drogenarbeit »Chill Out« und der Jugendtreff »clubMitte«. Geschaffen wurde die Einrichtung, nachdem der traditionelle innerstädtische Jugendklub »Spartakus« wie auch der ihm gegenüber liegende einstige Klub der Künstler und Architekten schließen mussten. Das eine Gebäude beherbergt heute eine Anwaltskanzlei, das andere die Potsdamer Spielbank.

Das Personenpotenzial der linksradikalen Szene in Brandenburg ist dem jüngsten Verfassungsschutzbericht zufolge um 45 auf 485 gesunken. Die Zahl der gewaltbereiten Autonome soll demnach um 35 auf 190 gefallen sein. Die Zahl der Mitglieder in der »Roten Hilfe«, der Norbert Müller selbst angehört, ist nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes um fünf auf 180 gestiegen.

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