Stadtverwaltung sorgt für Gettobildung in Köln

Roma sollen trotz Gerichtsentscheid in Containern wohnen bleiben

  • Jochen Bülow
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Das Verwaltungsgericht Köln hat die Stadtverwaltung Köln per einstweiliger Verfügung verpflichtet, die in einem Container-Lager untergebrachten Roma-Flüchtlinge (ND berichtete) in reguläre Flüchtlingsunterkünfte einzuquartieren.

Das ist eine Ohrfeige für die Abschreckungspolitik der Verwaltung«, freut sich Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat. Allerdings wird die Stadt Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht Münster einlegen - und muss die aus dem ehemaligen Jugoslawien stammenden Roma bis zur Entscheidung nicht in anderen Heimen unterbringen. Hintergrund ist eine Zusicherung des Wohnungsamtes der Stadt, in der den Roma versprochen wurde, sie nicht in den Containern auf dem ehemaligen Industriegelände in Köln-Kalk unterzubringen. Diese Zusicherung aber hat die Stadt gebrochen: »Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass nicht ausreichend viele Plätze in bestehenden Einrichtungen freigeworden sind - deswegen mussten wir doch auf Kalk zurück greifen«, bemüht sich die Pressestelle der Stadt um eine Erklärung. Auch in Sachen Altlastenbelastung des Grundstücks gerät die Stadt mehr und mehr in die Defensive: Hieß es seit Wochen gebetsmühlenartig, das Grundstück sei saniert, eine Gefahr speziell für spielende Kinder bestehe nicht, legten die Grünen schließlich Unterlagen aus einem der Stadtverwaltung vorliegenden Gutachten vor. Dort ist zu erkennen, dass tatsächlich große Teile des Grundstücks umfangreich saniert wurden. Gleichzeitig liegen in unmittelbarer Nachbarschaft belastete Abraumhalden und hochgradig mit Arsen und Blei verseuchte Grundstücksteile, die nicht saniert wurden. Ungehindert tummeln sich Kinder auf dem Gelände, ein großes Zufahrtstor steht selbst über Nacht weit offen. Neben der Unfallgefahr an nicht gesicherten Böschungen können Kinder problemlos auf Grundstücksteile gelangen, die auch nach den Unterlagen des Grundstücksbesitzers schadstoffverseucht sind. Überdies wurde bekannt, dass Regierungspräsident Roters, zuständig für die Schulaufsicht, »der Stadt die Rechtslage in Sachen Schulbesuch der Romakinder nahegebracht« habe. Seit Wochen besuchen die schulpflichtigen Kinder keinen Unterricht. Und in ihre alten Schulen sollten sie nach ihrem Umzug nach Kalk auch nicht mehr gehen - stattdessen hatte die Stadtverwaltung geplant, die Kinder von zwei Lehrern in einem Container des Lagers unterrichten zu lassen. Empörte Reaktionen von Kirchen und Flüchtlingshelfern hatten die Verwaltung nicht von ihrem Konzept abbringen können. Das erledigte nun der Dienstvorgesetzte: »Wir haben pädagogische Bedenken und wollen keine Gettobildung«, sagt Thilo Franzen von der RP-Pressestelle. Von einem »Getto« hatte schon vor Wochen auch der PDS-Ratsherr Jörg Detjen gesprochen und mit Parteifreunden in verschiedenen Gremien versucht, die Stadtverwaltung von ihrem Tun abzubringen. Vergeblich. Unterdessen berichten Flüchtlingsaktivisten, die Stadt habe in ihrem internen Computernetz zwei Halbtagsstellen für Ärzte (Allgemeinmedizin, Psychotherapie) ausgeschrieben. Deren Aufgabe werde die Vorbegutachtung kranker Flüchtlinge sein. »Schon jetzt«, so Claus-Ulrich Prölß, »erhalten Flüchtlinge einen Krankenschein für ärztliche Behandlung nur nach vorheriger Begutachtung und in absolut unabweisbaren Fällen«. Auch dies sei rechtlich fragwürdig. Doch bei der Stadtverwaltung scheinen juristische Erwägungen oft eine untergeordnete Rolle zu spielen: Mitglieder der Verwaltungsspitze äußern öffentlich, die Rechtslage behindere sie im Umgang mit den Flüchtlingen. Aus der Pressestelle ist zu vernehmen, es handele sich um illegale Personen. Soll heißen: Die Menschen haben ohne gültige Papiere die Einreise nach Deutschland geschafft und müssten das Land eigentlich verlassen. Da aber Abschiebehindernisse vorliegen, kann die Stadt sich der Roma nicht entledigen. Schon seit langem ist es deshalb erklärte Politik, »Flüchtlingen den Aufenthalt in Köln so unattraktiv wie möglich zu machen«, wie Bernhard Ensmann (CDU-Stadtrat) in deutlicher Absicht formulierte. Und dabei, so Jörg Detjen, »entwickelt die...

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