Bilanz der Superlative

Die Landesregierung ist mit der Arbeit von Rot-Rot rundum zufrieden, die Opposition nicht

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.
Im Herbst wird gewählt. Als Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) die Bilanz der rot-roten Landesregierung verkündete, sparte er nicht mit Superlativen. Doch nicht alle Träume sind wahr geworden.

Keine fünf Jahre ist es her, dass sich in Brandenburg im Herbst 2009 die Koalition zwischen SPD der LINKEN in Potsdam auf Landesebene formiert hat. «Brandenburg steht heute besser da als jemals in seiner Geschichte», erklärte der Ministerpräsident am Dienstag selbstbewusst. Und nicht allein das: «Die Perspektiven sind besser als jemals zuvor».

Seit 2013 ist die Arbeitslosigkeit stabil unter zehn Prozent geblieben, das Land ist anerkannter Vorreiter beim Ausbeuten umweltschonender Energiequellen, die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat sich in den vergangenen fünf Jahren der rot-roten Regierung um zehn Prozent erhöht. Auf die von der rot-roten Landesregierung veranlasste Forderung eines Mindestlohnes für Aufträge der öffentlichen Hand (Vergabegesetz) folgte die neue Bundesregierung mit ihrer Einführung eines allgemeinen Mindestlohnes. «Wir haben in wichtigen Bereichen die richtigen Rahmenbedingungen gesetzt», unterstrich Woidke.

Beim Thema Energie bezeichnete er die Braunkohleverstromung als «derzeit unverzichtbar». Seit Jahren komme das Land ohne neue Schulden aus, es sei im vergangenen Jahr sogar in der Lage gewesen, Schulden im dreistelligen Millionenbereich zurückzuzahlen. Mit einer solchen Entwicklung sei 2009 nicht zu rechnen gewesen, als die weltweite Finanzkrise «in ihren Auswirkungen nicht absehbar» gewesen sei.

Als stellvertretender Ministerpräsident verwies Justizminister Helmuth Markov (LINKE) auf den hohen Finanzanteil, mit dem die Landesregierung den Spielraum der Kommunen erhalten habe und der nirgends in Deutschland prozentual höher liege. Mit der Abschaffung der Residenzpflicht für Asylbewerber und der Aufnahme der Antirassismusklausel in der Landesverfassung habe die Landesregierung ebenfalls ein Zeichen für Solidarität und Mitmenschlichkeit gesetzt. Beide Politiker priesen das Schüler-BAföG, das Jugendlichen aus armen Familie den Besuch einer weiterführenden Schule erleichtere und das inzwischen tausendfach genutzt werde.

Aber keine Regierung könne ausschließlich Erfolge vorlegen, sagte Markov. Die Ziele beim öffentlich geförderten Beschäftigungssektor in Form von 8000 Förderfällen seien nicht erreicht worden, trotz hoher Einstellungszahlen bestehe nach wie vor Lehrermangel.

Auch die Umstände des Flughafenbaus könne man nicht als Erfolg bezeichnen, sagte Woidke. Mit den Zielen der Volksinitiative gegen Fluglärm habe man sich bei den Gesellschaftern Berlin und Bund nicht durchsetzen können. Noch immer fühle sich das Land mit der Bewältigung der militärischen Altlasten vom Bund allein gelassen. Die Regierung sei sich dessen bewusst, dass der Lohn vielerorts zu gering ist und es vor allem auch um «fair bezahlte Arbeit» gehen müsse. Noch unter der rot-schwarzen Vorgängerregierung hatte das Land mit seinen Billiglöhnen um Investoren geworben. Zu spät hat die Landesregierung laut Woidke eingesehen, dass die ursprüngliche Zielzahl bei der Polizei mit 7000 zu niedrig angesetzt sei. Er warb dafür den öffentlichen Dienst nicht allein unter dem Kostenaspekt zu sehen.

Aus Sicht des CDU-Fraktionsvorsitzenden Michael Schierack hat die Landesregierung dagegen «in Zeiten guter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen Brandenburg lediglich verwaltet und die Chance verpasst, zu gestalten». Er behauptete, in der Regierungszeit von Rot-Rot sei die Zahl der Einbrüche um 60 Prozent gestiegen und nur jeder fünfte Fall aufgeklärt werden konnte. «Seit ihrem Regierungsantritt hat Rot-Rot das Budget für unsere Straßen mehr als halbiert - ein dramatischer Tiefststand.» Mit dem Vergabegesetz (Mindestlohn für Staatsaufträge) wurde laut Schierack «ein Bürokratiemonster geschaffen». Und er behauptete: «Trotz der hervorragenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der niedrigsten Arbeitslosenquote seit 1991 ist das Armutsrisiko für Erwachsene und Kinder in Brandenburg in den letzten Jahren so stark gestiegen, wie nirgends sonst in Deutschland».

Der Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Axel Vogel, verkündete angesichts der rot-roten Regierungsbilanz: «Nicht muskulöse Hinterläufe, Hasenfüße haben diese Koalition getragen». Er warf ihr vor, «keine Gelegenheit zum Kniefall vor den Großen» ausgelassen zu haben: Vor dem Energiekonzern Vattenfall, vor der Agrarindustrie und vor dem Bauernverband. Als Vertreter einer Fraktion, die strikt gegen das Schüler-BAföG aufgetreten war, warf er Rot-Rot vor, ausgerechnet dort Kampfesmut gezeigt zu haben, «wo es gegen die Schwächeren ging: Gegen Freie Schulen, gegen die Lärmbetroffenen am Flughafen BER, gegen die brandenburgischen Hochschulen. Beinahe neidisch musste er konstatieren: »Die allgemein positive Wirtschaftsentwicklung erwies sich für die Landesregierung als Glücksfall.«

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