Die Sorben von A bis Z

Kulturlexikon leistet Beitrag zur Aufklärung über Geschichte und Gegenwart der Sorben

Es ist ein Wunder, dass die sorbischen Sprachen bis heute überlebten. Das hat mit der Insellage von Spreewald und Oberlausitz zu tun, aber auch mit dem Wirken von Pfarrern, Lehrern und Schriftstellern.

Um gelegentlich unter diesem oder jenem Stichwort nachzuschlagen, dazu ist ein Lexikon gewöhnlich da. Es lohnt sich jedoch, das dicke »Sorbische Kulturlexikon« aus dem Domowina-Verlag von vorn bis hinten durchzulesen, von A wie Alphabet bis Z wie Zweisprachigkeit. Das wird nur ganz selten einmal langweilig. Die Sorben, ihre Sprache und Kultur erschöpfen sich nicht in Vogelhochzeit, Trachten und Ostereiern, wenngleich auch dies nicht zu kurz kommt im Lexikon. Denn beschrieben werden die Wachsreservetechnik, die Kratztechnik und die Ätztechnik, mit deren Hilfe es den Sorben gelingt, Ostereier so wunderbar zu verzieren.

Das obersorbische Alphabet hat übrigens 35 Buchstaben, das niedersorbische 34. Die westslawischen Stämme der Lusizer und der Milzener sind die Vorfahren der Obersorben beziehungsweise der Niedersorben. Das Obersorbische ähnelt dem Tschechischen, das Niedersorbische dem Polnischen. Bis ins 17. Jahrhundert beherrschte die bäuerliche Bevölkerung der Lausitz in der Regel lediglich ihre slawische Muttersprache. Musste beispielsweise vor Gericht ausgesagt werden, so wurden Dolmetscher benötigt. Bis ins 20. Jahrhundert konnte sich das Sorbische neben dem Deutschen halten, die Sorben waren allesamt zweisprachig.

Heute sind die beiden kleinsten westslawischen Sprachen in akuter Gefahr. Nur noch 5000 Menschen beherrschen Niedersorbisch, immerhin noch 25 000 Obersorbisch. Wenn beide Sprachen bewahrt werden sollen, dann besteht jetzt vielleicht die letzte Chance dafür. Das Witaj-Projekt macht Mut, denn es verzeichnet an Kitas und Grundschulen in Sachsen und Brandenburg beachtliche Erfolge. Witaj heißt »Willkommen« und läuft so ab:. Erzieher und Lehrer sprechen mit den Kindern Sorbisch, was zu einer Revitalisierung der Sprache in solchen Fällen führt, wo in den Elternhäusern bereits komplett zum Deutschen übergegangen wurde.

Das sorbische Siedlungsgebiet erstreckte sich einst bis nach Beeskow und Storkow, bis nahe an Berlin heran sowie über die Neiße hinweg in Gegenden, die heute zu Polen gehören. Überall dort bildeten Sorben die Bevölkerungsmehrheit und zugezogene Deutsche wurden manchmal assimiliert. Inzwischen bilden die Sorben überall die Minderheit, am stärksten vertreten und verwurzelt sind sie noch in einigen Dörfern in der Oberlausitz, die nach der Reformation katholisch geblieben sind. Es entwickelte sich zeitweise sogar eine eigene katholische obersorbische Schriftsprache im Unterschied zur evangelisch-obersorbischen Schriftsprache.

Die vorwiegend von deutschen Feudalherren geknechtete Landbevölkerung erhob sich zwischen 1525 und 1794 bei zwei Dutzend regionalen Bauernaufständen. Die Unruhen unter den Sorben wurden teils blutig niedergeschlagen. Die Benutzung der Sprache wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder eingeschränkt, mehrmals für die Predigt in den Kirchen und den Unterricht in den Schulen nicht weiter zugelassen. Auf die schlimmsten Repressionen in der Nazizeit, als neben der Sprache alle sorbischen Vereine verboten wurden, folgte in der DDR eine Phase der staatlichen Förderung, wie es sie nie zuvor gegeben hatte. Dazu gehörte die großzügige Finanzierung von Wissenschaft, Literatur, Theater und Museum. Dazu gehörte ab 1953 auch ein sorbisches Rundfunkstudio, zuerst geleitet von dem sorbischen Hörfunkjournalisten Klaus Hemmo.

Weil aber gleichzeitig alte sorbische Dörfer dem Braunkohletagebau weichen mussten und die Bewohner sich zerstreuten, sank weiterhin die Zahl der Dörfer, in denen die sorbische Sprache zum Alltag gehört.

Nicht mehr verwendet wird die sorbische Sprache mittlerweile in Serbin im US-Bundesstaat Texas. Mit dem Segelschiff »Ben Navis« waren 1854 fast 600 Oberlausitzer dorthin aufgebrochen, nachdem im Jahr zuvor schon sieben sorbische Familien nach Texas ausgewandert waren. Eine Choleraepidemie und andere Krankheiten forderten auf der »Ben Navis« 81 Todesopfer. Die Überlebenden um Pfarrer Jan Kilian erwarben Land in der Nähe von Houston und gründeten hier eine Ansiedlung, die sie Serbin nannten. Hier wurde bis Ende des 19. Jahrhunderts Sorbisch geredet. Einige ältere Einwohner beherrschen heute noch einige Brocken Sorbisch. Die Tradition wird in einem Wendischen Museum gepflegt.

Die Umgangssprache entlehnte Begriffe aus dem Deutschen, auch wenn sich Sprachwissenschaftler bemühten, passendere Worte zu empfehlen, die die aus dem Tschechischen, dem Polnischen oder für das Niedersorbische auch aus dem Obersorbischen schöpften. Als deutsche Entlehnungen entstanden beispielsweise die Worte »holowac« für holen und »srawpstok« für Schraubstock.

Das alles sind nur einige willkürlich ausgewählte Dinge aus der Fülle der Informationen, mit denen das Lexikon aufwartet - von A wie Archive bis Z wie Zeitungen.

Franz Schön und Dietrich Scholze (Hrsg.): Sorbisches Kulturlexikon, Domowina-Verlag, 579 Seiten, 49 Euro

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