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Achtung! Radfahrer

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 2 Min.

Ich muss mich vorsehen. Wie die Hauptstadtpresse berichtet, sind künftig Polizisten auf Fahrrädern in der Stadt unterwegs. Angeblich, um Jagd auf sogenannte Kampfradler zu machen. In der offiziellen Verlautbarungen des Polizeipräsidenten liest sich das zwar weniger furchteinflößend - hier ist die Rede von einer ominösen »Hauptaufgabe«, die darin bestehe, den Verkehr zu überwachen, »und zwar mit deutlichem Bezug zum Verhalten von Radfahrern, aber auch gegenüber Radfahrern«. Aber man weiß als Radfahrer ja, was sich hinter solchen Formulierungen wirklich verbirgt. Das gibt indirekt auch der Polizeipräsident zu, indem er von einer »modern ausgerüsteten Staffel« schreiben lässt.

Ich gebe es ja zu: Ich bin ein Kampfradler. Jedenfalls in der Definition der Autofahrer und des nicht Fahrrad fahrenden Teils des Fußvolks. Straßen nutze ich nur, wenn die Fahrbahn gut asphaltiert ist (keine Schlaglöcher, kein Kopfsteinpflaster), wenn es einen Fahrradstreifen gibt oder der motorisierte Verkehr insgesamt gering ist. Ansonsten heißt es: ab auf den Gehweg. Das ist eine reine Lebenserhaltungsmaßnahme.

Zum Glück für mich ist die 20-köpfige Fahrradstaffel der Berliner Polizei nur im Innenstadtbereich des Bezirks Mitte, einschließlich des Ortsteils Tiergarten und im Regierungsviertel unterwegs. Blaulicht und Martinshorn tragen die Pedalcops auch nicht auf ihren Schädeln. Wenn sie jemanden stellen wollen, brüllen sie: »Halt, Polizei, stehenbleiben!« Das ist zugegebenermaßen eine in manchen Stadtteilen Berlins ziemlich hilflose Art und Weise, sich als Ordnungsmacht Respekt zu verschaffen, aber im Regierungsviertel mag das ja funktionieren.

Im schnöseligen Mitte radle ich aber äußerst selten. Hier herrscht die blanke Ordnung; den Touristen soll ja vorgegaukelt werden, sie wären in einer sauberen, gepflegten Stadt unterwegs. Manche aus diesem illustren Volk der Umherreisenden (sagte man nicht früher »Fahrendes Volk« dazu?) suchen aber auch jene Stätten auf, die von irgendwelchen Reiseführern als »Geheimtipps« ausgegeben werden. Da schlendern sie dann mit dem Rucksack auf dem Rücken an den mit Graffiti besprühten Mauern vorbei, saugen die von Hundekot und Bierdunst geschwängerte Luft der Innenstadtrandbezirke in sich auf - und behindern so den Radverkehr auf dem Gehweg.

Dummerweise geht zur Zeit meine Fahrradklingel nicht, weshalb ich dazu gezwungen bin, ähnlich wie die Fahrradcops anderweitig akustisch Signal zu geben: Ein lautes »Achtung« hat noch jeden Berlinbesucher aus meiner Spur vertrieben. Selbstverständlich achte ich dabei darauf, den Ruf Berlins als weltoffene Stadt, die den preußischen Militarismus überwunden hat, gerecht zu werden. Das »Achtung« kommt mir immer ohne dreifaches Ausrufezeichen über die Lippen; es ist mehr ein freundliches »Bitte«. Man ist ja auch Mensch.

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