Und ewig bröselt das »Minsk«

Landessportbund will einstiges Restaurant am Potsdamer Brauhausberg zur Kita umbauen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Landessportbund (LSB) will aus dem früheren Nobelrestaurant »Minsk« in Potsdam einen Kindergarten machen. Er würde damit ein spezifisches Denkmal der Stadtgeschichte vor dem Abriss bewahren.

Anfang der Woche präsentierte der LSB seinen Plan, das Gebäude am Brauhausberg, unterhalb des alten Landtages (»Kreml«), in eine Kita für 220 Kinder zu verwandeln. Im Jahr 2016 könnte das Haus demnach bezugsfertig sein. Weil heute solche Einrichtungen auch ein »Profil« benötigen, ist naturgemäß Bewegungs- und Gesundheitsorientierung in dieser Planung Trumpf.

Zu DDR-Zeiten war das »Minsk« eine Edel-Gaststätte, Eintrittskarten für dortige Veranstaltungen waren sehr begehrt. Mit dem burgähnlichen Gebäude der SED-Bezirksleitung oberhalb und der Schwimmhalle in der Nachbarschaft gehörte es zu einem repräsentativen städtebaulichen Schwerpunkt der einstigen »Hauptstadt des Havelbezirks« Potsdam. Nach der Wende wurde es noch eine Zeit lang genutzt, sogar Empfänge des Landtagspräsidenten fanden dort statt. Doch erging es dem »Minsk« wie vielen Gaststätten, die aus der DDR-Zeit stammen: Die Gäste blieben aus, das Niveau sank zusehends, vor etwa 15 Jahren verließ der letzte Pächter das Gebäude. Es verfiel und war am Ende Gegenstand von Vandalismus.

Der Plan des Landessportbundes sieht nun vor, das Gebäude als Beispiel der Architektur der »sozialistischen Moderne« weitgehend zu erhalten. Die eindrucksvollen Sichtbetonbänder sollen erhalten, die Terrassenfreiflächen mit einer Glasfassade geschlossen werden. Vorgesehen ist in den Plänen, mit denen sich der LSB um das Haus beworben hat, auch ein Lichthof im Inneren. Der heutige Parkplatz soll einer Außenspielfläche weichen.

Sein eigenwilliges Äußeres verdankt das Haus der Außenpolitik der DDR, so seltsam das heute klingt. Denn die 15 DDR-Bezirke (einschließlich der DDR-Hauptstadt Berlin) hatten als Partnerregionen die 16 Sowjetrepubliken nahezu paritätisch untereinander aufgeteilt. Potsdam bekam damals die Belorussische Sozialistische Sowjetrepublik ab, deren Hauptstadt Minsk heißt. Diese Partnerbeziehungen führten in den 1970er-Jahren zu dem Plan, ein großes Haus mit vielfältiger Gastronomie an einem herausragenden Ort in einer architektonischen Form zu errichten, die an die weißrussische erinnert. Das Haus ist demnach ein Unikat, in Potsdam eine Besonderheit, die den Denkmalschutzstatus rechtfertigen würde.

Allerdings ist der Landessportbund offenbar nicht der einzige Interessent. Der bislang grüne Brauhausberg sticht Investoren ins Auge, welche ihn mit teuren Wohnarealen zubauen wollen. Die notorisch klamme öffentliche Hand könnte das Geld gebrauchen, denn die nebenstehende Schwimmhalle soll neu gebaut werden. Eine Kita aber wirft eher kein Geld ab, sondern kostet welches. Es ist also nicht sicher, dass sich die Kitapläne realisieren lassen. Das Bieterverfahren ist beendet, in dem geklärt werden soll, ob sich ein zahlungskräftiger Investor für das Haus findet, oder ob es nach den kapitalistischen Gesetzen des Downtown-Effekts weichen muss. Dem Vernehmen nach soll die Entscheidung im August bekannt gegeben werden.

Die Bürgerinitiative Pro Brauhausberg unterstützt die Kitapläne, weil so ein bedeutender Anteil Grün auf dem Areal erhalten bleiben könnte. Die Potsdamer LINKE befürwortet die Idee ebenfalls. Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg ist überzeugt: »Das ›Minsk‹ kann man sinnvoll nutzen und erhalten«. In Potsdam ist man mit dem Abriss von DDR-Architektur allerdings schnell bei der Hand. Die Fachhochschule neben dem Landtagsschloss soll 2017 leergezogen und spätestens 2018 abgerissen werden. Das danebenstehende Staudenhof-Ensemble erwartet das gleiche Schicksal. Den Start für diese Art Baupolitik, die eigentlich deren glattes Gegenteil ist, machte die Beseitigung des Rohbaus für ein neues Stadttheater, der gleich nach der Wende niedergelegt wurde. Bei bestehenden Gebäuden läuft das in der Regel so ab, dass man ein ungeliebtes architektonisches Kind vernachlässigt und seine Umgebung so lange verwildern lässt, bis ein Schandfleck entstanden ist. Dann nennt man den Schandfleck einen Schandfleck und hat so eine Begründung für dessen Beseitigung. Die nachweisbare Geschichtsentsorgung mit der Abrissbirne spaltet die Potsdamer Einwohnerschaft.

Auch die Bausubstanz des »Minsk« ist nach anderthalb Jahrzehnten Leerstand keine gute mehr. Offenbar müsste das Haus bis auf seine Grundmauern rückgebaut werden, eine Asbestsanierung wäre wohl ebenfalls erforderlich. Laut eigenen Angaben betreibt der Landessportbund in Potsdam bereits sechs Kindereinrichtungen, in denen insgesamt rund 700 Kinder betreut werden.

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