Neues Haus für »Theater unterwegs«

Karl-Heinz Krämer, Technischer Direktor der Hans-Otto-Bühne, schafft es mit rheinischem Humor

  • Martina Krüger
  • Lesedauer: ca. 3.5 Min.
Theater brennen ab - das gibt Schlagzeilen und ist dem Gegenstand entsprechend dramatisch. 1881 brannte das Ringtheater in Wien ab, 1882 wurde daraufhin der »Eiserne Vorhang« zur Pflicht in Österreich, 1889 zog Deutschland nach. Er ist brandsicher und trennt Zuschauerraum und Bühne. Und - auch wichtig - stets muss die Feuerwehr im Hause sein. Das ist so etwas, wie eine eiserne Theaterregel und außerdem gesetzlich vorgeschrieben. Wie oft mögen sich die Potsdamer Theaterleute so einen klitzekleinen Theaterbrand gewünscht haben, damit sie schneller zu einem neuen Theater kommen. Kein Brand, sondern zähes Ringen um ein neues Haus. Denn das Schauspielhaus wurde 1945 bei einem Bombenangriff zerstört. Seither ziehen sie wie die Gaukler durch die Stadt: Spielen in der Zimmerstraße, im Schlosstheater im Neuen Palais, in der Reithalle, insgesamt 26 Spielorte - »Theater unterwegs« - nannten sie es in jüngster Zeit, um dem Vagabundendasein einen anständigen Namen zu geben. Und es hat funktioniert. Fast hätte man in Potsdam schon mal ein neues Haus bekommen. 1989 - kurz vor der Wende - der Rohbau stand schon. Doch die neuen Verhältnisse orientierten sich auch schon an alter Pracht. Denn auf dem Platz, wo der Beton fürs Theater schon in den Himmel ragte, stand einst das Stadtschloss. Vielleicht könnte es ja wieder aufgebaut werden? Was ist ein Theater gegen ein Schloss? Beton wieder weg und stattdessen ein Provisorium eine »Blechbüchse«. Und diese scheinbar vorübergehende Lösung gab dem geflügelten Wort Recht, dass nichts so beständig ist, wie ein Provisorium. 13 Jahre stand es, fünf waren geplant. Nun geht dies alles dem Ende zu, am 22. September wird das neue Haus, schick, modern, in der Schiffbauergasse eröffnet. Nach 56 Jahren werden die Potsdamer Gaukler wieder alle zusammen in ein Haus ziehen. Eine spektakuläre Aufgabe, die allerdings wenig Schlagzeilen macht. Man stelle sich einen einfachen Umzug vor - zwei Leute, die lange allein gelebt haben, ziehen zusammen. Karl-Heinz Krämer, Technischer Direktor des Hans-Otto-Theaters, ist seit 2004 am Haus und hat diesen Umzug maßgeblich bewerkstelligt. Mehrere Parteien ziehen in ein neues Haus, doch darin wird noch gearbeitet. Aber man will die Zuschauer nicht so lange ohne Theater lassen. Wer weiß, vielleicht wandern sie ins nahe Berlin ab oder entdecken das Kino wieder. Und die »Freie Theaterszene« am Kulturstandort Schiffbauergasse schläft auch nicht. Aber wie anstellen - Bauen, Umziehen, Proben? Der Bauherr, die Stadt Potsdam, will gute Arbeit leisten. Im Foyer wird noch gearbeitet, im Zuschauerraum ebenfalls, da proben die Künstler hinter dem »Eisernen Vorhang« auf der Bühne schon an der Eröffnungsinszenierung. Die letzte Phase scheint heiß. Karl-Heinz Krämer übt sich in Diplomatie, was der rheinischen Frohnatur irgendwie gelingt. Auch die Prozesse für die Inszenierungen selbst - man will mit fünf Stücken an drei Tagen beginnen - müssen gesteuert werden. Da wird ein »Pferd« gesucht - Krämer hat es schon gefunden und sicher gestellt. Er telefoniert lang und lustig mit vielen Leuten während des Interviews. »Probleme!« her damit scheint er zu rufen. Ist das Hektik, Galgenhumor, Show oder hat der tatsächlich alles in seiner flockigen Art im Griff? Er war Technischer Leiter in Heidelberg, am Theater in Bonn, in Bremen und 2002 kam er nach Berlin ans »Deutsche Theater«. Er spielte immer »in der ersten Liga«. In Berlin stimmte die Chemie nicht und der Potsdamer Intendant Eric Laufenberg wollte ihn haben. »Wieder in die Provinz«, dachte er seinerzeit, »nein, das muss nicht sein«. Doch er kam und stellte fest: »Man kann überall erste Liga machen, und wenn man Theater macht, das die Leute mögen, macht es Spaß.« Auf die Fragen - wie viel Kostüme, Akten, Dekoteile denn transportiert werden mussten, gibt es keine Antwort. Er verweist auf eine Diplomarbeit, die er hat schreiben lassen und praktischerweise betreut und bewertet hat: »Das Hans Otto Theater Potsdam auf dem Weg in das neue Haus in der Schiffbauergasse«. Krämer ist ein Fuchs. Der junge Diplomand Matthias Klimmek hat alles erfasst: Die Intendanz hatte 21 Kubikmeter Umzugsgut, benötigte dazu fast einen LKW und fast vier Stunden. Die Bühnentechnik hatte 525 Kubikmeter zu wuchten. Jeden Schrank und jede Akte hat der junge Mann vermessen und in Umzugseinheiten umgerechnet. Dazu wurden Fragen der Müllentsorgung in den alten Häusern diskutiert oder die Frage, ob denn Mitarbeiter besser selbst Hand anlegen sollten oder ob es eine Firma nicht effektiver bewerkstellige. Viele Klebezettel sind in der Arbeit, sie ist studiert und in die Tat umgesetzt worden. Krämer ist schon wieder viel weiter. In seinem Büro hat er die einzelnen Inszenierungen nach technischen Umsetzungen aufgeschlüsselt. Der Umzug ist für ihn vorbei. Sein Büro liegt mit dem Blick zur Havel, traumhaft, ein überdimensionales Keith-Richards-Poster, der wahre Kopf der Stones, hängt an der Wand...

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