S-Bahn-Tisch: Vergabe stoppen

Initiativen wollen über Privatisierungsfolgen aufklären / Mahnwache verboten

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Bündnis aus Verbänden und S-Bahnern macht weiter gegen die Privatisierung der S-Bahn Front. Gefordert wird der Abbruch des Vergabeverfahrens.

»Keine S-Bahn-Privatisierung« steht auf den Flyern, die Susanne Klodt, Peter Polke und Uwe Krug am Montagvormittag auf dem S-Bahnhof Ostkreuz verteilen. Eigentlich wollten sie auf dem Ringbahnsteig auch eine Mahnwache abhalten und als Auftakt einer »Protest- und Aktionswoche 100 Prozent S-Bahn« gleich noch eine Pressekonferenz geben, aber das hat die Berliner Versammlungsbehörde auf Antrag der Deutschen Bahn untersagt. »Wir würden die Sicherheit gefährden, lautete die Begründung«, sagt Uwe Krug und hält das natürlich für vorgeschoben, da man sich ganz am Ende des riesigen Bahnsteigs versammelt und nichts blockiert hätte.

Krug und Polke sind Triebfahrzeugführer und haben mit Kollegen den »Aktionsausschuss 100 Prozent S-Bahn« gebildet, um sich gegen die Privatisierung ihres Unternehmens zu wehren. Unterstützung kommt vom Berliner S-Bahn-Tisch, einem Bündnis verschiedener Initiativen, das im vergangenen Jahr mit einem Volksbegehren zur S-Bahn vor Gericht gescheitert ist. »Juristisch ist da nichts mehr zu machen, aber die Probleme existieren ja weiter«, sagt Sprecherin Susanne Klodt. »Über die Folgen des derzeitigen Vergabeverfahrens wollen wir weiter aufklären.«

Dabei spielt der Verlauf der Ausschreibung den Privatisierungsgegnern in die Hände. Wie berichtet, will der Senat die Deutsche Bahn und ihre S-Bahn-Tochter mit dem Weiterbetrieb des S-Bahn-Ringes bis 2023 betrauen. Im Europäischen Amtsblatt wurde die Direktvergabe angekündigt. Grund ist, dass nach dem derzeitigen Stand ein neuer Betreiber, der auch der alte sein kann, erst im Jahr 2015 feststehen dürfte und dadurch keine ausreichende Zeit mehr bleibt, neue Züge zu bestellen und anzuschaffen. Nach den ursprünglichen Planungen sollten diese bis Ende 2017 geliefert werden, die Entwicklungs- und Produktionszeit wird aber mit mindestens sechs Jahren veranschlagt. Deshalb soll es jetzt einen Übergangsvertrag mit der S-Bahn geben, damit sie ihre alten Züge weiterfahren lässt.

»Das ist ein Präzedenzfall«, findet Peter Polke. »Bisher wurde uns gesagt, eine Direktvergabe sei nach europäischem Recht nicht möglich, und nun geht es doch.« Der S-Bahner glaubt, dass es sogar bis 2028 dauern könnte, bis ein neuer Betreiber über die erforderlichen Züge verfügt. Polke und seine Mitstreiter fordern den Senat deshalb auf, das Vergabeverfahren ganz abzublasen. »Das ist möglich, wenn durch die Vergabe wirtschaftliche Nachteile für das Land, aber auch den Gewinner der Ausschreibungsgewinner entstehen.« Und das dies so ist, davon sind sie überzeugt. »Allein der Übergangsvertrag für den Ring wird das Land 300 Millionen Euro kosten«, sagt Polke. Und ein ähnliches Desaster erwartet er, wenn die Stadt- und Nord-Süd-Bahn ausgeschrieben werden.

Wenn die Vergabe abgebrochen wird und die S-Bahn mit dem Weiterbetrieb beauftragt würde, könnten sofort neue Züge bestellt werden, das Land würde Millionen sparen, argumentieren die Privatisierungsgegner. Ein neuer Betreiber sei ohnehin nur auf Gewinn aus. »Die Fahrpreise werden jedenfalls nicht sinken.« Dass dieses Gewinnstreben auch auf die Deutsche Bahn zutrifft mit den bekannten Folgen für die S-Bahn, ist ihnen nicht entgangen. Die Leute vom Aktionsausschuss und S-Bahn-Tisch stellen sich deshalb ein öffentliches Gremium vor, in dem Vertreter des Landes, der Fahrgäste und Umweltverbände sitzen und die Bahn kontrollieren. »Damit nicht wieder an den Schrauben gespart wird«, sagt Peter Polke. »Ein bezahlbarer, zuverlässiger Nahverkehr muss als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge im Vertrag mit der S-Bahn festgeschrieben werden«, fordert Susanne Klodt.

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