- Politik
- Verhängnis Rosenholtz drei US-Bürger wurden als MfS-Agenten verurteilt. Sie sind seither in Haft
Die »Kommunisten« waren schuldig
Sie hatten Überzeugungen, wollten hoffen auf eine bessere Welt - Verrat hat ihr Leben weitgehend zerstört
Das FBI musste sich nicht sehr anstrengen, um die drei in den Knast zu bringen. Die CIA schaute einfach in von ihr eroberten Unterlagen nach, da standen Klarnamen, Zusammenkünfte und Zulieferungen für das MfS verzeichnet. Deutsche Gründlichkeit. So war die Ermittlungsakte rasch gefüllt, das Urteil so gut wie gesprochen: Wer für die DDR, also »die Kommunisten«, das Synonym für die »Bösen« auf der Welt, gearbeitet hat, ist schuldig.
Woher die CIA die komplette Kundschafter-Kartei der Hauptverwaltung Aufklärung des MfS (HVA) bekommen hat, ist ungeklärt. Verrat in den eigenen Reihen oder in denen des sowjetischen KGB? »Rosenholtz«, so der Name der CIA-Operation, war ein voller Erfolg - für die USA. Und ein Verhängnis für drei Menschen, die Sympathien mit dem Sozialismus hatten, die Antifaschismus für wichtig hielten und die Hoffnung auf eine menschlichere Welt in sich trugen.
Dafür mussten drei US-Bürger in den Knast: Kurt Stand, Deckname »Junior«, dessen damalige Frau Theresa Marie Squillacote, Deckname »Ruth« und James Michael Clark Deckname »Jack«. Registriert waren die drei bei der bei der HVA.
In Deutschland hatte man soeben den siebten Jahrestag der deutschen Einheit begangen, da machten sich Special Agents der US-Geheimpolizei auf den Weg. Handschellen klickten. 1998 und 1999 standen die drei vor Gericht, die Urteile waren hart und der Bedeutung der Geständigen keineswegs angemessen (siehe Kasten rechts).
Kurt Stand, Sohn eines aus Deutschland emigrierten Antifaschisten, hatte zwar immer ein »offenes Ohr« für das MfS, doch »keine Courage«. Kurt wollte politisch etwas erreichen und wusste, dass ein Geheimdienstjob dabei problematisch sein kann. Mal mischte Kurt in der Seeleutegewerkschaft mit, dann war er als Briefträger gewerkschaftlich gebunden. Daher sei er ihm »immer irgendwie ausgewichen«, sagt sein Führungsoffizier Lothar Ziemer, als er von Berlin aus zusehen musste, wie man »seine Leute«, die er Freunde nennt, aburteilte.
Seit Kurt Stands »Werbung 1976 in der DDR« auf »ideologischer Basis durch Mitarbeiter des MfS« (Zitat HVA-Akten) sammelten sich Papierberge. Erst Akte I dann eine mit der Registrierung I, Teil II/1. Darin sei viel Füllmaterial gewesen. Ex-Oberst Ziemer spricht von Treffvorbereitungen und operativen Planungen, die aber keinerlei substanziellen Wert hatten.
Theresa »lief« noch als »PIM«. PIM gleich Perspektiv-IM. Das MfS hat Kurts Frau laut Akte »unter Legende durch IM aus dem OP« geworben. Das so bezeichnete Operationsgebiet war München und die Akten sagen, dass man Punkt 5 (Zuverlässigkeit und Sicherheitsprobleme) bei Terry »nicht überprüft« hat, vorsichtshalber aber auf »Touristenreisen DDR/soz. Länder« hinwies. Die »Revolutionsschwärmerin mit Bewunderung für Angela Davis« (Ziemer), die spanisch sprach, entwickelte sich. Nach MfS-Vorstellungen sollte sie Quelle im State Departement werden. Als die Mutter zweier kleiner Kinder dann eine Position - die eigentlich Ehemann Kurt zugedacht war - im Pentagon erreicht hatte, gab es die DDR bereits fünf Jahre nicht mehr.
Das Gericht ignorierte die Tatsache, dass weder Theresa Squillacote noch ihr damaliger Ehemann Kurt Stand im Verlaufe ihres fast 20-jährigen Kontaktes zum MfS jemals klassifizierte, geheim zu haltende Informationen übergeben hatten. Auch dass Jim Clark mehr revolutionäres Feuer als eine geheimdienstliche Bedeutung hatte, war irrelevant.
Kurt Stands Anwalt, Len Weinglass, bestätigt üble Methoden des FBI - gezielte Provokation und psychologische Manipulation bei Missachtung der verfassungsmäßigen Rechte auf Unverletzlichkeit der Wohnung, des Arztgeheimnisses, des Postgeheimnisses und weiterer Grundwerte. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung ist dies heute auf der Rechtsgrundlage des US-Patriot Act von 2001 geübte Praxis. Als man nach 550 Tagen keinen hinreichenden Beweis für die Verdächtigung der drei vorweisen konnte, trieben die US-Geheimen ein »Spiel« mit Terry. Man führte der psychisch labilen Frau einen Agent provocateur zu, der die Rolle eines Agenten des südafrikanischen Geheimdienstes mimte. In der Meinung, südafrikanischen Freunden dienstbar zu sein, nahm sie Unterlagen aus dem Pentagon mit ... Die Falle funktionierte.
ND nahm mit Hilfe der GRH Kontakt auf zu den Gefangenen und übermittelte ihnen identische Fragen, die Theresa nur mit »Grüßen« beantworteten wollte. Für die Gesprächsbereitschaft dankt René Heilig
Die Interviews können Sie in der Printausgabe lesen.
Drei in den USA abgeurteilte Mitarbeiter der Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit
der DDR:
Kurt Alan Stand
geboren am 05.11.1954 in New York,
Freier Journalist,
wohnhaft gewesen in Washington, DC, USA
Verheiratet mit Lisa Foley Stand (seit 2003)
zwei Kinder aus der Ehe mit Theresa Squillacote (Karl, geb. 1981, und Rosa, geb. 1984)
Verhaftet am 4.10.1997,
schuldig gesprochen wegen Verschwörung zur Spionage im Oktober 1998, verurteilt zu 17 Jahren Haft am 22.01.1999
Postanschrift:
Kurt Stand, 42289-083,
Virginia Hall,
FCC Petersburg Low,
P.O.Box 1000
Petersburg , VA 23804, USA
Theresa Marie Squillacote
geboren am 10.11.1957 in Chicago
grad. Juristin, 1993-1997 tätig gewesen in der Rechtsabteilung des US-Verteidigungsministeriums
Geschieden, zwei Kinder aus der Ehe mit Kurt Stand
Verhaftet am 4.10.1997,
schuldig gesprochen wegen Verschwörung zur Spionage im Oktober 1998, verurteilt zu 21 Jahren Haft am 22.01.1999
Postanschrift:
Theresa Squillacote, 422090- 083
FCI Danbury
33 ½ Pembroke Station
Danbury, CT 36811, USA
James Michael Clark
geboren am 01.04.1954 in Lowel, Mass. USA
1990-1996 Angestellter im US-Verteidigungsministerium, wohnhaft gewesen in Alexandria, VA
Ledig
Verhaftet am 4.10.1997,
im Oktober 1998 schuldig gesprochen wegen Spionage,
am 4.12.1998 verurteilt zu 12 Jahren, 7 Monaten Haft
Postanschrift:
James Clark. 42287-083
Delaware Hall,
FCC Petersburg Low,
P.O.Box 1000,
Petersburg, VA 23804, USADas FBI musste sich nicht sehr anstrengen, um die drei in den Knast zu bringen. Die CIA schaute einfach in von ihr eroberten Unterlagen nach, da standen Klarnamen, Zusammenkünfte und Zulieferungen für das MfS verzeichnet. Deutsche Gründlichkeit. So war die Ermittlungsakte rasch gefüllt, das Urteil so gut wie gesprochen: Wer für die DDR, also »die Kommunisten«, das Synonym für die »Bösen« auf der Welt, gearbeitet hat, ist schuldig.
Woher die CIA die komplette Kundschafter-Kartei der Hauptverwaltung Aufklärung des MfS (HVA) bekommen hat, ist ungeklärt. Verrat in den eigenen Reihen oder in denen des sowjetischen KGB? »Rosenholtz«, so der Name der CIA-Operation, war ein voller Erfolg - für die USA. Und ein Verhängnis für drei Menschen, die Sympathien mit dem Sozialismus hatten, die Antifaschismus für wichtig hielten und die Hoffnung auf eine menschlichere Welt in sich trugen.
Dafür mussten drei US-Bürger in den Knast: Kurt Stand, Deckname »Junior«, dessen damalige Frau Theresa Marie Squillacote, Deckname »Ruth« und James Michael Clark Deckname »Jack«. Registriert waren die drei bei der bei der HVA.
In Deutschland hatte man soeben den siebten Jahrestag der deutschen Einheit begangen, da machten sich Special Agents der US-Geheimpolizei auf den Weg. Handschellen klickten. 1998 und 1999 standen die drei vor Gericht, die Urteile waren hart und der Bedeutung der Geständigen keineswegs angemessen (siehe Kasten rechts).
Kurt Stand, Sohn eines aus Deutschland emigrierten Antifaschisten, hatte zwar immer ein »offenes Ohr« für das MfS, doch »keine Courage«. Kurt wollte politisch etwas erreichen und wusste, dass ein Geheimdienstjob dabei problematisch sein kann. Mal mischte Kurt in der Seeleutegewerkschaft mit, dann war er als Briefträger gewerkschaftlich gebunden. Daher sei er ihm »immer irgendwie ausgewichen«, sagt sein Führungsoffizier Lothar Ziemer, als er von Berlin aus zusehen musste, wie man »seine Leute«, die er Freunde nennt, aburteilte.
Seit Kurt Stands »Werbung 1976 in der DDR« auf »ideologischer Basis durch Mitarbeiter des MfS« (Zitat HVA-Akten) sammelten sich Papierberge. Erst Akte I dann eine mit der Registrierung I, Teil II/1. Darin sei viel Füllmaterial gewesen. Ex-Oberst Ziemer spricht von Treffvorbereitungen und operativen Planungen, die aber keinerlei substanziellen Wert hatten.
Theresa »lief« noch als »PIM«. PIM gleich Perspektiv-IM. Das MfS hat Kurts Frau laut Akte »unter Legende durch IM aus dem OP« geworben. Das so bezeichnete Operationsgebiet war München und die Akten sagen, dass man Punkt 5 (Zuverlässigkeit und Sicherheitsprobleme) bei Terry »nicht überprüft« hat, vorsichtshalber aber auf »Touristenreisen DDR/soz. Länder« hinwies. Die »Revolutionsschwärmerin mit Bewunderung für Angela Davis« (Ziemer), die spanisch sprach, entwickelte sich. Nach MfS-Vorstellungen sollte sie Quelle im State Departement werden. Als die Mutter zweier kleiner Kinder dann eine Position - die eigentlich Ehemann Kurt zugedacht war - im Pentagon erreicht hatte, gab es die DDR bereits fünf Jahre nicht mehr.
Das Gericht ignorierte die Tatsache, dass weder Theresa Squillacote noch ihr damaliger Ehemann Kurt Stand im Verlaufe ihres fast 20-jährigen Kontaktes zum MfS jemals klassifizierte, geheim zu haltende Informationen übergeben hatten. Auch dass Jim Clark mehr revolutionäres Feuer als eine geheimdienstliche Bedeutung hatte, war irrelevant.
Kurt Stands Anwalt, Len Weinglass, bestätigt üble Methoden des FBI - gezielte Provokation und psychologische Manipulation bei Missachtung der verfassungsmäßigen Rechte auf Unverletzlichkeit der Wohnung, des Arztgeheimnisses, des Postgeheimnisses und weiterer Grundwerte. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung ist dies heute auf der Rechtsgrundlage des US-Patriot Act von 2001 geübte Praxis. Als man nach 550 Tagen keinen hinreichenden Beweis für die Verdächtigung der drei vorweisen konnte, trieben die US-Geheimen ein »Spiel« mit Terry. Man führte der psychisch labilen Frau einen Agent provocateur zu, der die Rolle eines Agenten des südafrikanischen Geheimdienstes mimte. In der Meinung, südafrikanischen Freunden dienstbar zu sein, nahm sie Unterlagen aus dem Pentagon mit ... Die Falle funktionierte.
ND nahm mit Hilfe der GRH Kontakt auf zu den Gefangenen und übermittelte ihnen identische Fragen, die Theresa nur mit »Grüßen« beantworteten wollte. Für die Gesprächsbereitschaft dankt René Heilig
Die Interviews können Sie in der Printausgabe lesen.
Drei in den USA abgeurteilte Mitarbeiter der Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit
der DDR:
Kurt Alan Stand
geboren am 05.11.1954 in New York,
Freier Journalist,
wohnhaft gewesen in Washington, DC, USA
Verheiratet mit Lisa Foley Stand (seit 2003)
zwei Kinder aus der Ehe mit Theresa Squillacote (Karl, geb. 1981, und Rosa, geb. 1984)
Verhaftet am 4.10.1997,
schuldig gesprochen wegen Verschwörung zur Spionage im Oktober 1998, verurteilt zu 17 Jahren Haft am 22.01.1999
Postanschrift:
Kurt Stand, 42289-083,
Virginia Hall,
FCC Petersburg Low,
P.O.Box 1000
Petersburg , VA 23804, USA
Theresa Marie Squillacote
geboren am 10.11.1957 in Chicago
grad. Juristin, 1993-1997 tätig gewesen in der Rechtsabteilung des US-Verteidigungsministeriums
Geschieden, zwei Kinder aus der Ehe mit Kurt Stand
Verhaftet am 4.10.1997,
schuldig gesprochen wegen Verschwörung zur Spionage im Oktober 1998, verurteilt zu 21 Jahren Haft am 22.01.1999
Postanschrift:
Theresa Squillacote, 422090- 083
FCI Danbury
33 ½ Pembroke Station
Danbury, CT 36811, USA
James Michael Clark
geboren am 01.04.1954 in Lowel, Mass. USA
1990-1996 Angestellter im US-Verteidigungsministerium, wohnhaft gewesen in Alexandria, VA
Ledig
Verhaftet am 4.10.1997,
im Oktober 1998 schuldig gesprochen wegen Spionage,
am 4.12.1998 verurteilt zu 12 Jahren, 7 Monaten Haft
Postanschrift:
James Clark. 42287-083
Delaware Hall,
FCC Petersburg Low,
P.O.Box 1000,
Petersburg, VA 23804, USA
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