Folge 61: CRITICAL MASS (dt. kritische Masse)
Lexikon der Bewegungssprache
Atomwaffen, Reaktoren, Strahlung? Auf den ersten Blick verwundert, weshalb für das friedliche Protest-Radfahren ein Begriff aus der Kernphysik verwendet wird: Critical mass. Bei dieser Aktionsform treffen sich Menschen auf Rädern, Rollschuhen oder Skateboards, um die Straße zu okkupieren und durch die Stadt zu fahren. Konkrete politische Forderungen fehlen meist, eher wird allgemein gegen die Vorherrschaft des Autos im Straßenverkehr protestiert. In vielen deutschen Städten finden regelmäßig diese Radtouren statt.
Kritische Masse, das ist in der Kernphysik die Mindestmenge eines spaltbaren Materials, die nötig ist, um eine Kettenreaktion der Kernspaltung aufrecht zu erhalten. Oder um es auf die Protestform zu übertragen: Es ist eine relativ kleine Menge, die aber Großes verändern kann. Auch wenn es nicht gleich eine Atomexplosion sein muss. Und welcher Mensch ist nicht gerne »kritisch«?
Die kritische Masse muss aber gar nicht so klein sein. In Budapest haben sich Zehntausende Radfahrer an den Aktionen beteiligt. In der deutschen Straßenverkehrsordnung gibt es aber auch eine Art Untergrenze für die kritische Masse: Erst ab 15 Radlern ist die Gruppe ein »geschlossener Verband«. Die Leute dürfen dann auf der Straße nebeneinander fahren und müssen nicht den Radweg benutzen. Die Kolonne wird wie ein einziges Fahrzeug behandelt, und muss zum Beispiel in einem Zug über eine Kreuzung fahren, auch wenn die Ampel zwischendurch auf Rot schaltet. fwe
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