Atomkraftwerke heizen Flüsse auf
Aus früheren Hitzeperioden wurden in Frankreich kaum Lehren für die Energiepolitik gezogen
Dass die französische Regierung den AKW-Betreibern während der jüngsten Hitzeperiode erlaubt hat, wider allen Normen zu warmes Kühlwasser in die Flüsse zu leiten, hat den Streit um die Rolle der Atomenergie aufgeheizt.
Um den durch den Einsatz von Klimaanlagen zuletzt stark angestiegenen Energiebedarf decken zu können, beantragte der Stromkonzern Electricité de France (EDF) eine vorübergehende Lockerung der Bestimmungen. Die Wirtschafts-, Umwelt- und Gesundheitsministerien kamen dem umgehend nach. So darf derzeit in die Flüsse Garonne, Rhône, Seine, Maas und Mosel 28 bis 30 Grad warmes Kühlwasser eingeleitet werden; die üblichen Grenzwerte betragen 24 bis 27 Grad. Ausgenommen ist nur die Loire, wo der Wasserstand durch die Trockenheit Besorgnis erregend niedrig ist. Von den 58 Atommeilern des Landes stehen 40 am Ufer von Flüssen, aus denen sie ihr Kühlwasser beziehen, das nach getaner Arbeit erwärmt wieder zurückgeleitet wird, und 18 an der Meeresküste. EDF wurde durch die hohe Energienachfrage ausgerechnet zu einem Zeitpunkt überrascht, da üblicherweise zahlreiche Kraftwerke für Wartungsarbeiten abgeschaltet sind. So musste aus dem Ausland - vor allem aus der Schweiz, Spanien und Großbritannien - Strom importiert werden, während Frankreich gewöhnlich Energie exportiert. »Wieder einmal wird die Umwelt auf dem Altar der Atomkraft geopfert«, kritisiert der Dachverband »Sortir du nucléaire« (Ausstieg aus der Kernkraft), der landesweit 700 Gruppen von Atomkraftgegnern vereinigt. Die Aufheizung des Wassers, die eine Schädigung der Flora und Fauna nach sich zieht, sei nicht die einzige Belastung durch die »am Rande ihrer Kapazitätsgrenzen betriebenen EDF-Kraftwerke«. So würden die Kühltürme während der Hitzeperiode Dampf in die Umwelt abgeben, der in gefährlichem Umfang Legionellose-Bakterien mit sich führt. Auch enthalte das in die Flüsse geleitete Kühlwasser zwei bis vier Mal mehr schädliche Chemikalien als üblich. Der Verband kritisiert, dass EDF kaum Lehren aus der Hitzewelle vom Sommer 2003 gezogen hat, als die Betonmauern der Atomkraftwerke aus Wasserschläuchen besprüht werden mussten, weil im Innern die Temperaturen auf über 50 Grad geklettert waren. Diese Bilder, die durch die Medien gingen, hatten dem Image des Konzerns schwer geschadet. Um solchen Krisen vorzubeugen, wurden zusätzliche Luftkühlaggregate installiert und in Zusammenarbeit mit der staatlichen Wasserwegebehörde VNF Pläne ausgearbeitet, wie durch das vorbeugende Anstauen von Flüssen die Wasserreserven in den Talsperren zu erhöhen seien. Auch werden jetzt die Wartungsarbeiten besser über das Jahr verteilt, um weniger Kraftwerke im Sommer komplett abschalten zu müssen. Im Sommer bleiben alle 18 Reaktoren an der Küste in Betrieb, weil für den Einsatz von Meereswasser keine Beschränkung der Temperaturen gilt. Doch all das hat offensichtlich nicht gereicht, wie die jüngsten Engpässe und das nachfolgende »Krisenmanagement« gezeigt haben. Langfristig will EDF daher erreichen, dass die Vorschriften - angesichts der von Klimaexperten erwarteten Häufung extremer Hitzeperioden - weiter gelockert werden. EDF fordert, die Höchstgrenze für das in die Flüsse zurückgeleitete Kühlwasser um 5 bis 6 Grad und für die erlaubte Raumtemperatur in den AKW sogar um 10 bis 11 Grad heraufzusetzen. »Es zeigt sich immer mehr, dass die Atomkraft nicht geeignet ist, der Erwärmung der Atmosphäre entgegenzuwirken, wie man uns offiziell weismachen will«, meint Stéphane Lhomme vom Verband »Sortir du nucléaire«. »Im Gegenteil,...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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