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Die ticken noch ganz richtig

In Seehausen finden alte Turm- und Rathausuhren ein neues Zuhause

  • Dörthe Hein, Seehausen
  • Lesedauer: 2 Min.
Wie spät ist es? Die Antwort verrät inzwischen oft ein Blick aufs Handy. Jahrhundertelang aber gaben Kirchturmuhren den Menschen die Zeit an. Die Technik dahinter bewahrt ein Museum in der Altmark.

In diesem Museum tickt es ununterbrochen. Mittags um 12 Uhr kann es so laut werden, dass man sein eigenes Wort nicht versteht. »Wir müssen dann die Führungen unterbrechen«, erklärt Uhrmachermeister Günther Haut. Der 64-Jährige aus Seehausen in Sachsen-Anhalt trägt eine selbst gemachte Armbanduhr - seine Leidenschaft gilt aber den ganz großen Uhren. Vor zehn Jahren eröffnete er gemeinsam mit einem Verein das Turmuhrenmuseum in Seehausen in der Altmark. Die ausrangierten technischen Kunstwerke trieben einst unsichtbar für die Menschen die Zeiger hoch oben an Kirchtürmen an.

Der Blick auf die Kirchturm- oder Rathausuhr gibt auch heute noch vielen Menschen die Uhrzeit an. Allerdings steckt hinter den Zifferblättern oft kein mechanisches Uhrwerk mehr, sondern ein elektrisch angetriebenes und funkgesteuertes. Das regelmäßige Aufziehen entfällt, es muss weniger gewartet werden und ist kostengünstiger. Haut sieht die alten Turmuhren als wertvolles Kulturgut und will sie mit seinem Verein erhalten. »Da ist noch mehr Leben drin. Quarz- oder Funkuhren sind eigentlich tote Gegenstände.« Ticken und Schlagen sind Musik für den Uhrmachermeister. 46 restaurierte Uhrwerke stehen im ehemaligen Lager einer Brauerei in der Seehäuser Altstadt. Eingebettet in Metallrahmen bewegen sich die großen Zahnräder, die Pendel schwingen. »Die Zifferblätter und Zeiger sehen die Menschen immer, aber nicht die Wunderwerke, die ihnen Kraft geben«, sagt Haut.

Aber nicht nur das ehrenamtlich betriebene Museum in Seehausen hat sich den Turmuhren verschrieben. Es gibt eine Reihe weiterer, die die mechanischen Werke ausstellen, etwa in Rockenhausen in der Pfalz oder in Bockenem im Harz. Es gibt auch mehrere Museen, die Abteilungen für Turmuhren haben, sagt Ekkehard Koch vom Fachkreis Turmuhren in der Deutschen Gesellschaft für Chronometrie. Er beklagt die Bequemlichkeit derer, die auf elektrisch angetriebene Uhren setzen. Mechanische würden zwar nicht mehr hergestellt, aber aufgearbeitete könnten durchaus 100 Jahre halten und seien robust.

Etwa 1500 Besucher kommen jedes Jahr in das Turmuhrenmuseum. Der Verein sorgt für immer neue Ausstellungsstücke. »Ein bis zwei neue Uhren können wir pro Jahr restaurieren«, sagt Haut. »Sie haben meist jahrzehntelang nicht mehr funktioniert.« Haut und seine Mitstreiter zerlegen jede Uhr in alle ihre Einzelteile. Sie reinigen und ersetzen kaputte Teile. Der 64-Jährige ist in dritter Generation Uhrmacher, seinen Meistertitel trägt er seit 40 Jahren. Die Firma der Familie hat schon zu DDR-Zeiten Kirchturmuhren repariert. Einige sind davon nun im Museum zu sehen. »Sie sind sehr übersichtlich«, sagt Haut. Anders als für Armbanduhren braucht der Uhrmachermeister hier keine Brille oder Lupe.

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