Triumph der DDR-Moderne

Einige Baudenkmäler aus der Zeit vor 1989 haben Stadtplanervisionen nicht überlebt

  • Peter Kratz
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Wochenende feiert Berlin den 25. Jahrestag des Mauerfalls mit großem Bohei. An vielen Stellen in der Stadt hat die DDR zumindest architektonisch die Wende überlebt. Eine Betrachtung.

25 Jahre nach dem Ende der DDR haben sich inzwischen einige der ideologischen Kämpfe um die sozialistische Architektur gelegt und selbst aus bürgerlichem Munde sind manchmal vermittelnde Zwischentöne zu hören. So gestand Senatsbaudirektorin Regula Lüscher im März 2014 im Interview: »Das Haus des Lehrers ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein Gebäude durch eine Sanierung eine stärkere Präsenz bekommen hat.« Das bedeute für die noch unklare Zukunft des Haus des Reisens, dass man »es ebenfalls hochwertig sanieren muss«, wenn es bestehen bleibt. »Wenn sie wieder zu ihrem alten Glanz zurückfinden, können diese Häuser neben neuen und durchaus größeren Gebäuden bestehen.«

Eines dieser DDR-Relikte steht genau dort. Er taucht heute sowohl im Sat-1-Frühstücksfernsehen wie bei den Kollegen vom ZDF regelmäßig als Hintergrundbild auf. Wir senden aus Berlin, heißt das wohl. In Dutzenden in der neuen Hauptstadt spielenden Filmen diente sein zumindest kurzes Auftauchen als angesagte Orts- und Milieubeschreibung. Und weil er schlank ist, zeitlos modern aussieht, ist der Berliner Fernsehturm dabei, das Brandenburger Tor als gesamtberliner Symbol abzulösen. Als am 3. Oktober 1969, also vor rund 45 Jahren, Walter Ulbricht und eine Delegation hochrangiger SED-Funktionäre mit Erich Honecker und Werner Lamberz den Fernsehturm einweihten, war er damals nach dem TV-Turm in Ostankino (Moskau) der zweithöchste in der Welt. Und in Ostberlin war man stolz wie Bolle: Ab sofort flimmerte die DDR-Welt farbig in alle Haushalte und das zweite staatliche Programm des DDR-Fernsehens konnte auf Sendung gehen.

Nach einigen vergeblichen Anläufen, akzeptierte die staatliche Plankommission im Mai 1964 ein Konzept, östlich des Marx-Engels-Platzes ein »etwa 360 Meter hohes, dem internationalen Standard entsprechendes Bauwerk« als »eindrucksvollen architektonischen Anziehungspunkt« bauen zu lassen, samt »repräsentativer Wirkung für den Aufbau der Hauptstadt«. Der Fertigstellung gingen große Anstrengungen voran, dabei wurde Kostenvorgaben mehrfach stark überzogen. Bereits im August 1965 begannen anspruchsvolle Fundament- und Schaftvorarbeiten. Der sich mit der Höhe von 16 auf neun Meter Durchmesser verringernde, in Kletterbauweise errichtete Betonschaft hatte im Oktober 1966 die 100-Meter-Marke erreicht. Ganz Ostberlin konnte jeden Fortschritt am Bau, quasi vom heimischen Fenster aus, tagtäglich begutachten. Später kam die am Boden teils vormontierte Turmkugel dazu. Zuletzt gab es den Dreischichtbetrieb, der in der Tagschicht 60 und in der Nacht 30 Arbeiter einspannte. Mehr als 300 DDR-Firmen leisteten eigene Zuarbeiten. Dabei war der 368-Meter-Turm nur Teil eines großzügigen innerstädtischen Ensembles, das bis zum Strausberger Platz reichte, den zweiten Bauabschnitt der Karl-Marx-Allee und und so wichtige andere Gebäude der DDR-Moderne einschloss.

»In den 60ern war das Ensemble ein neues, modernes Aushängeschild: luftig und visionär. Ein Versprechen nach dem Trümmerchaos. Eine Befreiung nach der steinern-altväterlichen Zuckerbäckerei in der Stalinallee der 50er. Licht. Luft. Sonne. Kino, Cafés und Läden. Jede Menge Platz zum Flanieren. Trotzige Lebenslust hinter dem Eisernen Vorhang«, betonte die Berliner Journalistin und Autorin Ulrike Steglich in ihrem leider nur in kleiner Auflage erschienenen Buch »Universum Ackerstraße« (Basisdruck Berlin 2011).

Heftig kritisierte Ulrike Steglich, wie die neuen Herrschenden im Land nach der deutschen Einheit mit der DDR-Moderne umsprangen. Nicht nur der Palast der Republik fiel einer neuen Bauwut zum Opfer. »Mit besonderer Inbrunst widmeten sich die regierenden Hauptstadtcowboys der Ostberliner Moderne. Die klassischen Bauten der 60er und 70er, die offenen Plätze und großzügigen Räume schienen bei Ihnen geradezu physischen Ekel hervorzurufen.« Das denkmalgeschützte »Ahornblatt« des weltweit geschätzten Architekten Ulrich Müther sei »kritisch rekonstruiert«, das heißt trotz aller Proteste abgerissen und durch einen stupiden Riegel ersetzt worden. Das großzügige Ensemble um den Fernsehturm konnte nur unter sozialistischen Vorzeichen entstehen. Denn: Im Kapitalismus gelten andere Spielregeln. Jeder City-Quadratmeter würde heute am liebsten dreifach bebaut.

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