Foto-Fahndung im Mainzer Hauptbahnhof

Das BKA testet ab Oktober den Einsatz von biometrischen Gesichtserkennungsverfahren

  • Ines Wallrodt
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Biometrische Systeme könnten die Videoüberwachung wesentlich intensivieren. Deshalb werden sie vom Bundesinnenministerium gefördert und von Datenschützern abgelehnt.

Eine Frau fährt die Rolltreppe hinab in Richtung Ausgang des Mainzer Hauptbahnhofs. Ohne dass sie es merkt, scannen Kameras ihr Gesicht und vergleichen charakteristische Merkmale mit im System vorhandenen Fotos. Stimmen sie überein, werden die Aufnahmen gespeichert. Gecheckt werden alle Personen, die diesen Bereich durchqueren. Täglich also tausende Reisende. Der Unterschied zu herkömmlicher Videoüberwachung ist, dass Passanten nicht allein gefilmt, sondern automatisch, in Sekundenschnelle anhand ihrer Gesichtszüge identifziert werden können. So die Idee. Noch befindet sich diese Technologie hierzulande in der Probephase. Die sechs Kameras von drei verschiedenen Herstellern sind nur vorübergehend im Bahnhof Mainz installiert. Das Bundeskriminalamt wird hier von Oktober bis Januar mit 200 Freiwilligen testen, wie zuverlässig biometrische Gesichtserkennungssysteme bestimmte Personen in einer Menschenmenge wiedererkennen können, ohne dass es zu Verwechslungen mit Unbeteiligten kommt. Die bisherigen Tests von Gesichtserkennungssystemen haben eher zweifelhafte Ergebnisse gebracht: Die Erkennungsraten waren äußerst gering. In der Praxis hieße das, völlig unverdächtige Menschen geraten ins Visier von Behörden. Der Chaos Computer Club (CCC) geht davon aus, dass zuverlässige Gesichtserkennung technisch nicht möglich sei. Einerseits erfordern die Systeme optimale Lichtverhältnisse, zum anderen behindern normale körperliche Veränderungen wie eine neue Brille oder einfach Alterung die Identifizierung. »Es wird immer zu Fehlern kommen«, ist Jan Krissler vom CCC überzeugt. Das ficht die Befürworter dieser Technologie jedoch nicht an. Zu groß sind die Träume, die damit verknüpft sind. Auftraggeber des BKA-Projekts ist das Bundesinnenministerium, welches sich davon ein weiteres Instrument zur Perfektionierung Innerer Sicherheit verspricht. Wo es später eingesetzt werden könnte, steht noch nicht fest. In seiner Forschungsskizze spricht das BKA davon, »hilflose Menschen oder polizeilich gesuchte Personen« damit auffinden zu können. Fahndung ist aber nur eine denkbare Anwendung. Vorstellbar ist vieles mehr. So sei auch ein »präventiver Einsatz« möglich, sagte ein BKA-Sprecher dem ND. Spätestens hier schellen alle Alarmglocken bei Bürgerrechtlern und Datenschützern. Auf diesem Wege könnten also auch bestimmte Demonstrationsteilnehmer von einer politischen Versammlung ferngehalten werden, mutmaßte der Bremer Anwalt Rolf Gössner. Während der Versuchsphase ist der überwachte Bereich in der Mainzer Eingangshalle für Nichtbeteiligte erkennbar. Sie können ausweichen. Käme die Technik aber im Ernst zum Einsatz, wäre das nicht mehr so. Täglich würden sämtliche Passanten gerastert, ohne zu wissen, was mit den Aufnahmen anschließend geschieht. Für Grundrechteverteidiger wie Gössner sind solche Forschungsprojekte nicht zu trennen von der fortschreitenden biometrischen Erfassung der Bevölkerung. Damit werde »die digitale Ausgangsbasis für polizeiliche und soziale Kontrollmaßnahmen« aufgebaut. Es käme schließlich nur noch darauf an, die z. B. über die Personalausweise erhobenen Merkmale mit Videoaufnahmen aus dem öffentlichen oder privaten Raum zu verknüpfen. Ein »Horrorszenario« für Peter Schaar, den Bundesdatenschutzbeauftragten. Auch er steht dieser Entwicklung »außerordentlich skeptisch« gegenüber. Die Überwachung von Bahnhöfen oder Stadien durch biometrische S...

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