Stadtwache soll Täter verschrecken

Gubens amtierender Bürgermeister schickt Verwaltungsmitarbeiter auf Streife

  • Gudrun Janicke
  • Lesedauer: 3 Min.
Dem Rathauschef von Guben reicht es. Bei jeder Bürgerversammlung wird er auf die Kriminalität angesprochen. Jetzt schickt er seine Mitarbeiter auf die Straße. Sie laufen Streife.

Ihre signalgelben Warnwesten sind nicht zu übersehen. Ihre Basecaps tragen die Aufschrift »Stadtwache Guben«. »Plötzlich auftauchen und Kriminelle verschrecken.« So beschreibt Sebastian Schwitzke kurz und bündig seinen neuen Auftrag. Er ist im Hauptjob Sachbereichsleiter Brandschutz in der Stadt Guben und gehört zu 24 Mitarbeitern aus dem Rathaus, die sich freiwillig als Stadtwächter gemeldet haben und seit Mittwoch unterwegs sind. Zur Ausstattung der umstrittenen Streifen gehören nur die Weste, die Kappen sowie Taschenlampe und Handy.

Für den amtierenden Bürgermeister Fred Mahro (CDU) ist oberste Maxime: Weder Leib noch Leben dürfen riskiert werden. »Im Zweifel muss die Polizei gerufen werden«, betont er. Weil die Sorgen der Bürger über Autodiebstähle, Laubeneinbrüche und Taschendiebstähle groß sind, habe er sich in einem persönlichen Appell an seine Mitarbeiter gewandt, berichtet Mahro. Zwei Dutzend Freiwillige aus allen Bereichen meldeten sich für das in Brandenburg einzigartige Projekt.

Heftige Kritik gibt es von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die von der zweifelhaften Organisation einer Bürgerwehr unter Missbrauch von Beschäftigten der Stadtverwaltung spricht. Der Personalrat sei vor der Entscheidung zur Einrichtung der Stadtwache in keiner Weise unterrichtet und beteiligt worden, heißt es in einer Pressemitteilung. Damit sei die Maßnahme schlichtweg rechtswidrig.

»Die Stadtwache übernimmt keine hoheitlichen Aufgaben der Polizei«, stellt Bürgermeister Mahro klar. Er weist die Bezeichnung Bürgerwehr zurück. Gäbe es mehr Polizisten, wäre man nie auf die Idee gekommen. »Wir wollen nicht mehr nur ohnmächtig auf das Problem schauen«, sagt Mahro. Etwa alle sechs Wochen ist jeder Freiwillige für etwa zwei Stunden an der Reihe. Der Einsatz gilt als Arbeitszeit, die Mitarbeiter sind damit versichert. Die Polizei schult die Stadtwächter. Auch der Ordnungsamtsleiter Uwe Schulz gehört zum Team. »Die Reaktionen sind durchweg positiv«, erzählt er. »Bürger freuen sich, dass wir Präsenz zeigen.« Kritik gebe es nur an fehlenden Polizisten.

Nach Angaben des Innenministerium ist bereits im Sommer die Polizeipräsenz in Guben aufgestockt worden. Vier Streifenwagen fahren rund um die Uhr durch die 18 000 Einwohner zählende Stadt. Derzeit gibt es etwa 70 Sicherheitspartnerschaften im Land, in denen sich rund 440 Bürger engagieren. »Sie sind keine Hilfspolizisten und tragen keine Waffen«, erläutert die stellvertretende Ministeriumssprecherin Susann Fischer. Grundsätzlich sei jede Initiative von Kommunen zur Erhöhung des Sicherheitsgefühls der Bürger zu begrüßen. Das habe abschreckende und damit präventive Wirkung.

Bundesweit werde in einigen Kommunen überlegt, offiziell Bürger Streife gehen zu lassen, sagt Ulrich Mohn vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. »Die Polizei darf aber nicht aus der Verantwortung entlassen werden«, betont er.

Auch auf polnischer Seite wird die Stadtwache in Guben positiv aufgenommen. Jede Aktion, mit der mehr Sicherheit für Gubener und Gubiner gesorgt werde, sei zu begrüßen, sagt der Bürgermeister der polnischen Nachbarstadt Gubin, Bartlomiej Bartczak. »Allerdings sind die Möglichkeiten der Kommune beschränkt«, sagt er. Wichtig wäre noch mehr Polizeipräsenz - »als Abschreckungsmaßnahme«.»

Zum Jahreswechsel will Bürgermeister Mahro Bilanz ziehen, was das Projekt gebracht hat und ob überhaupt ein Erfolg messbar ist. Auch Mahro selbst hat sich freiwillig gemeldet und wird die gelbe Weste überziehen. Seinen Einsatztag will er nicht verraten. «Wir kündigen die Streifen nicht an. Dann wäre es keine Überraschung mehr.» dpa

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