Wohnungen für Flüchtlinge gesucht
Sozialministerin Golze besucht Asylheim in Neuruppin und verspricht Hilfe
Elidan Myrtollavei kocht sich gerade eine Suppe. Von der Gemeinschaftsküche im fünften Stock ist der Ausblick auf den Ruppiner See herrlich. Doch der 21-Jährige aus Albanien hat gerade keine Zeit, die Aussicht zu genießen. Denn jetzt zeigt er Sozialministerin Diana Golze (LINKE), die vorher neugierig in den Kochtopf schaute, sein Zimmer auf dem Flur schräg gegenüber. 20 Quadratmeter, die er sich mit einem Landsmann teilt. Seit drei Monaten sind sie hier in Neuruppin.
Am Freitag besucht die Ministerin das Asylheim in der Erich-Dickhoff-Straße 51. Die Gemeinschaftsunterkunft wurde kürzlich um 68 auf 208 Plätze erweitert. Doch es sind sogar noch mehr Menschen hier. Denn manchmal lebt mit einem Pärchen in einem der Zwei-Bett-Zimmer noch ein kleines Kind, in einem Fall wollte die Großmutter einer Flüchtlingsfamilie kein eigenes Zimmer, sondern unbedingt mit bei den Kindern und Enkeln wohnen.
Mit dem Ansturm hatte niemand gerechnet. Die Prognosen über die Zahl der ankommenden Flüchtlinge lagen falsch, erzählt Martin Osinski, Koordinator für Asylangelegenheiten beim Heimbetreiber, den Ruppiner Kliniken. »Daran gemessen, dass alles so plötzlich kam, läuft es noch ganz gut«, findet Osinski.
»Wir laufen der Entwicklung immer noch hinterher«, bedauert Ministerin Golze. »Wir reagieren nur - sowohl das Land als auch die Kommunen. Uns fehlt Zeit, uns fehlen Ressourcen, uns fehlt Personal.« Es gelinge gerade so, die Flüchtlinge unterzubringen, doch das sei nicht genug.
Personal sei im Moment knapp, weiß Osinski. Schwierig zu finden sind demnach nicht allein Sozialarbeiterinnen, sondern auch geeignete Wachschützer. Hellwach, nachdem rassistische Wachleute in nordrhein-westfälischen Asylheimen für negative Schlagzeilen sorgten, gibt es in Brandenburg strengere Vorgaben. Der Verfassungsschutz soll bei Bewerbern genau hinsehen, damit keine Neonazis als Wachschützer eingesetzt werden.
Doch das ist nur eins von vielen Problemen. Neulich musste ein Frühchen in die Berliner Charité gebracht werden. Die Behandlung dort kostete 80 000 Euro. Und für ihre psychologische Betreuung musste eine Asylbewerberin bis nach Hamburg fahren, weil sich nur dort ein Therapeut fand, der ihre Sprache beherrscht. Auch das war nicht billig. Mit der Pauschale, die der Landkreis Ostprignitz-Ruppin für die Gesundheitsversorgung der Asylbewerber bekommt, lässt sich dergleichen nicht bezahlen, bemängelt Sozialdezernentin Waltraud Kuhne.
Lobende Worte findet sie für die Ruppiner Kliniken GmbH, die das Heim 2012 übernahm und schrittweise sanierte. Mit dem vorherigen Betreiber war der Landkreis Ostprignitz-Ruppin unzufrieden. Die Zustände haben sich nach Beurteilung von Kuhne spürbar verbessert. Es gibt einen Computerraum und zwei Spielzimmer, von einer Praktikantin fantasievoll ausgemalt. Die Fenster sind erneuert. Die Waschräume ermöglichten früher keine Intimsphäre. Heute befinden sich Duschen und Toiletten in abschließbaren Kabinen. Zwei Familienquartiere pro Etage verfügen sogar über ein eigenes Bad. Das kleine Mädchen Salina aus Tschetschenien zeigt der Ministerin fröhlich, wo sie schläft. Die Eltern stehen dabei und lächeln. Alles schick? Fast alles. Denn die Flure könnten nun noch frische Farbe vertragen, mahnt Dezernentin Kuhne bei der Gelegenheit gleich noch an.
Schwierigkeiten mit den Nachbarn gibt es im Grunde nicht. Rechte Hetzer finden kaum Unterstützung. Auf der anderen Seite kommen mehrere Frauen regelmäßig vorbei, um ehrenamtlich Deutschkurse zu geben oder mit den Kindern Plätzchen zu backen. Neulich gab es auch ein Benefizkonzert, um Fußballtrikots für die Flüchtlinge zu finanzieren. In Wusterhausen wird am Dienstag ein neues Heim für 100 Menschen fertig. Ein Hotel und andere Notunterkünfte können dann leergezogen werden. Die 281 dem Kreis Ostprignitz-Ruppin in diesem Jahr zugewiesenen Flüchtlinge werden alle ein warmes Plätzchen finden. Bis auf 20 sind sie bereits da.
Doch das alte Lehrlingswohnheim in der Erich-Dickhoff-Straße dient nur als Übergangslösung. Binnen eines Jahres sollen alle eine richtige Wohnung bekommen. Doch die Suche gestaltet sich kompliziert. »Jeder hat Verständnis, wenn eine Familie mit Kindern aus einem Kriegsgebiet kommt«, meint Matthias Voth, Geschäftsführer der Ruppiner Kliniken.
Aber: Private Vermieter akzeptieren Familien gerade noch, berichtet Dezernentin Kuhne. Zögern erlebt sie bei Wohngemeinschaften für Alleinstehende. Im Dorf Lentzke stehen Wohnungen für 70 Menschen leer. Doch unter den 400 Einwohnern gibt es Vorbehalte gegen den Plan, dort Flüchtlinge unterzubringen. Da klingt es gut, wenn die Ministerin ankündigt, das Land wolle Personal finanzieren, das Wohnungen für Flüchtlinge sucht und vermittelt.
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