Schneller durchpauken

Kritik an Berliner Superschnellläuferklassen

  • Jutta Blume
  • Lesedauer: 2 Min.
Seit einem Jahr gibt es in Berlin Superschnellläuferklassen, die in nur elf Schuljahren zum Abitur führen. Das beschleunigte Lernangebot ist an besonders befähigte und hochbegabte Kinder gerichtet. Der Verein Hochbegabtenförderung e.V. kritisiert, die neuen Klassen hätten ihre Zielgruppe verfehlt.
Ende 2004 wurden alle Lehrerkollegien von Berlins Schulsenator Klaus Böger auf das Phänomen besonders begabter Kinder hingewiesen, da diese im normalen Schulbetrieb oft nicht erkannt würden. Die hochbegabten Schülerinnen und Schüler müssten aber besonders gefördert und gefordert werden, da es bei ihnen sonst zu einer problematischen Persönlichkeitsentwicklung kommen könne. Seit dem Beginn des Schuljahres 2005/06 stehen verschiedene Fördermaßnahmen zur Verfügung, eine davon ist der Besuch von Superschnellläuferklassen. 754 Kinder werden in die speziellen Gymnasialzüge aufgenommen, die mit der fünften Klasse beginnen. Voraussetzung für die Aufnahme bilden zur Hälfte die bisher erbrachten Leistungen - eine Kombination aus Schulnoten und einer Empfehlung der Grundschule - und zur Hälfte ein eigener Auswahltest. Für Jutta Billhardt, Vorsitzende des Vereins Hochbegabtenförderung, meint: »Es werden wieder nur Kinder erfasst, die schon besonders gut gefördert sind.« Ihr Verein setzt sich stattdessen für die Auswahl der Superschnellläufer über einen Intelligenztest ein, der die Potenziale, nicht die bisherige Leistung des Kindes erfasst. In dem jetzt eingesetzten Verfahren würden erneut die hochbegabten Schüler verkannt. Als hochbegabt gilt, wer einen Intelligenzquotienten von über 130 erzielt. Aus ihrem Verein seien nur sieben Kinder für das Schnellabitur vorgeschlagen worden, obwohl der Verein 50 Kinder in dem entsprechenden Alter betreut, die alle vor der Aufnahme einen Intelligenztest machen mussten. In einer Anhörung im Abgeordnetenhaus im November 2005 äußerte Klaus Böger zu den Superschnellläuferklassen, dass der größte Anteil der darin aufgenommenen Kinder bei einem IQ zwischen 90 und 100 läge. »Das wird eine Paukerei ohne Ende«, ist Jutta Billhardt überzeugt, denn so seien die Klassen für die überdurchschnittlich Begabten wieder mit normal Begabten gefüllt. Billhardt setzt sich für reine Hochbegabtenklassen ein, in denen das abstrakt-logische Denken gefördert wird, statt einfach den Lehrplan schneller durchzuziehen. Reine Hochbegabtenklassen waren allerdings in der Schulgesetzänderung von 2004 nicht vorgesehen. In dem Brief an die Schulen heißt es: »Es entstehen dabei begabungsdurchmischte Gruppen, in denen ein besonders begabungsförderndes und -stimulierendes Lernklima vorherrscht.« Der Verein zur Hochbegabtenförderung bietet derzeit Fortbildungen für Grundschullehrer an, wie eine Hochbegabung besser erkannt werden kann. Eine solche Schulung sollte nach Billhardts Auffassung allerdings verpflichtend sein.
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