»Zwangserwärmung« durch Heizrohre

Der ND-Ratgeber hat sich schon mehrfach mit überhöhten Heizkosten befasst. Vom Mieterverein Dresden wird ein weiteres Heizkosten-Problem aufgegriffen, das besonders für DDR-Plattenbauten typisch ist.

Viele dieser Gebäude sind mit vertikalen Einrohrheizungen ausgestattet. Die frei liegenden Heizrohrleitungen, die durch die Wohnungen hindurch geführt sind, geben Wärme ab, die von den Mietern nicht reguliert werden kann. Dem steht nach herrschender Rechtsauffassung dennoch grundsätzlich eine verbrauchsabhängige Heizkostenabrechnung nicht entgegen.
Problematisch wird es aber, wenn die Rohrwärmeabgabe den überwiegenden Teil der verteilten Wärmeenergie ausmacht und messtechnisch nicht erfasst wird.
Die an den Heizkörpern angebrachten Heizkostenverteiler erfassen häufig nur einen Bruchteil der innerhalb eines Hauses für Heizzwecke effektiv verteilten Wärmemenge. Erfasst wird nämlich nur die Wärmeabgabe der Heizkörper, nicht die unkontrollierte Zusatzbeheizung über die Rohre. 

Einer zahlt zu viel, der andere zu wenig
Dem Mieterverein Dresden und Umgebung e.V. sind Beispiele bekannt, in denen weniger als 10 Prozent der im Haus verteilten Wärmemenge erfasst wurden. Auf der Basis dieser unvollständigen Erfassung werden aber die Kosten auf die Nutzer verteilt. Dieser Fehler im Abrechnungssystem führt zu erheblichen Verzerrungen bei der Berechnung der Kostenanteile der einzelnen Nutzer. Vielverbrauchern werden auf diese Weise zusätzliche, nicht durch sie verursachte Kosten angelastet, während Geringverbraucher einen ungerechtfertigten Vorteil genießen. Folgendes sehr vereinfachtes Beispiel (ohne Berücksichtigung der festen Kosten) soll das Phänomen verdeutlichen:
Bei Nutzer A (Vielverbraucher) wurden 900 Einheiten erfasst. Bei Nutzer B ("sparsamer" Verbraucher) wurden 100 Einheiten erfasst. Wohnung C steht leer, die Heizkörper sind abgedreht - die Heizkostenverteiler zeigen null Einheiten an.
Insgesamt wurden also 1.000 Einheiten erfasst. Nach den darauf bezogenen Verbrauchsanteilen der Nutzer werden die Kosten verteilt, sagen wir insgesamt 1.000 Euro. Nutzer A hätte somit 900 Euro zu zahlen, Nutzer B 100 Euro und für Wohnung C fallen keine Kosten an. Angenommen, diese 1.000 Einheiten repräsentieren nur 10 Prozent der insgesamt gelieferten und verteilten Heizenergiemenge, dann würden noch mal 9.000 Einheiten (100 Prozent) auf die nicht gemessene Rohrwärmeabgabe entfallen. Verteilt auf die drei Wohnungen macht das 3.000 Einheiten für jeden Nutzer aus. Damit entfallen auf Nutzer A 3.900 Einheiten, auf Nutzer B 3.100 und auf Nutzer C 3.000. Das ergäbe folgende Kostenverteilung: Nutzer A: 390, Nutzer B 310 Euro und der Vermieter (für die leer stehende Wohnung C): 300 Euro. An der Rangfolge der Nutzer in Bezug auf ihre Verbrauchs- und damit Kostenanteile hat sich nichts geändert, wohl aber am Betrag. 

Grundsatz des billigen Ermessens verletzt
Auch wenn die Verteilungsverhältnisse in der Praxis nicht ganz so einfach sind, lässt sich das Problem auf einen simplen, aber verhängnisvollen Fehler im mathematischen Ansatz der Kostenverteilung reduzieren. Damit ist nach Auffassung von Mietrechtsexperten der Grundsatz des billigen Ermessens (§ 315 BGB) verletzt. Obwohl das Problem sowohl dem Gesamtverband der Wohnungswirtschaft als auch den Messdienstunternehmen hinreichend bekannt ist, wird Mietern, die sich gegen die Belastung mit derart berechneten und stark überhöhten Kosten wehren, immer wieder vorgegaukelt, die Abrechnung sei korrekt nach der Heizkostenverordnung vorgenommen worden. Es folgen Zahlungsaufforderungen, Mahnungen und sogar Kündigungen seitens der Vermieter. Leider haben auch einige Amtsrichter den Fehler im Abrechnungssystem bisher nicht erkannt. Sie urteilen ausschließlich auf Basis einer formaljuristischen Bewertung des Sachverhalts. Dabei wird der Abrechnungsfehler keineswegs von den bestehenden Rechtsvorschriften gedeckt. 

Widerspruch zur Heizkostenverordnung
Die Heizkostenverordnung und auch die technischen Normen für den Einsatz von Heizkostenverteilern gehen von der Voraussetzung aus, dass der überwiegende Teil der verteilten Wärmemenge messtechnisch erfasst wird. Ausnahmeregelungen für Abweichungen von diesem Idealfall sind aber ausdrücklich vorgesehen. So enthalten die DIN EN 834 und 835 für Heizkostenverteiler im Anhang die Empfehlung, die vom Nutzer nicht beeinflussbare Wärmeabgabe von Rohrleitungen zu berücksichtigen, wenn der Anteil der Wärmeabgabe der Rohre für die Verteilgenauigkeit wesentlich ist.
Die Heizkostenverordnung sieht im § 9a eine entsprechende Verfahrensweise für den Fall vor, dass »der anteilige Wärmeverbrauch von Nutzern für einen Abrechnungszeitraum wegen Geräteausfalls oder aus anderen zwingenden Gründen nicht ordnungsgemäß erfasst werden« kann: So weit nicht mehr als 25 Prozent der Wohnfläche bzw. des umbauten Raumes betroffen sind, ist der jeweilige Verbrauchsanteil zu schätzen, ansonsten dürfen Heizkosten nicht verbrauchsabhängig abgerechnet werden.
Da schon bei Ausfall eines einzigen Heizkostenverteilers die Schätzung des Verbrauchs vorgeschrieben ist, sollte dieses Prinzip erst recht gelten, wenn die nicht erfasste Rohrwärmeabgabe den überwiegenden Anteil der verteilten Energiemenge ausmacht. Wünschenswert wäre es, wenn der Gesetzgeber umgehend für eine eindeutige Regelung sorgen würde. Bis dahin sollten sich betroffene Mieter und Nutzer konsequent gegen die fehlerhafte Berechnung zur Wehr setzen. 

Berechtigten Anspruch gerichtlich prüfen lassen
Nach Erfahrungen des Mietervereins Dresden und Umgebung e.V. sind verschiedene Wohnungsunternehmen in Härtefällen durchaus zu einem Kompromiss bereit, wenn das Problem konkret angesprochen wird. Außerdem sollte ein Urteil des Landgerichts Meinigen (Az. 6 S 169/00, veröff. in Wohnungswirtschaft & Mietrecht 2003, ab Seite 453) Mietern Mut machen, ihren berechtigten Anspruch auch gerichtlich prüfen zu lassen.
Rechtsanwälten und Mietervereinen, die betroffene Nutzer vertreten, ist zu empfehlen, sich umfassend mit den nicht ganz einfachen technischen und juristischen Zusammenhängen der Problematik vertraut zu machen. Der Mieterverein Dresden und Umgebung e.V. hat sich seit längerem intensiv mit der Verbrauchserfassung und Kostenverteilung bei Einrohrheizungssystemen be...

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