Herr von Ribbeck wieder in Ribbeck im Havelland

Das Dorf trägt noch immer ihren Namen - doch das Schloss bekam die Familie nach ihrer Rückkehr nicht zurück

  • Gudrun Janicke
  • Lesedauer: 4 Min.
Aus dem Grab eines Herrn von Ribbeck wuchs einst ein Birnbaum. An den Früchten erfreuten sich die Kinder des Dorfes. Von Birnen lebt heute sein Nachfahre.

Ein Birnbaum steht nicht in seinem Garten. Aber einige wunderschöne Exemplare kann Friedrich-Carl von Ribbeck fast in Sichtweite seines Hauses sehen. Der 75-Jährige genießt den Anblick. Vor 25 Jahren kehrte er im Zuge der Wende nach Ribbeck zurück, ins Zuhause seiner Familie.

»Ich hatte keine andere Wahl«, erzählt der Adlige schmunzelnd. Seit 770 Jahren sitzt das Geschlecht derer von Ribbeck im Havelland. Ihnen gehörte ein Schloss, Ländereien und Wälder. Dem Dorf gaben sie den Namen. Zu DDR-Zeiten wurde die Familie vertrieben. Der Nachfahre macht nun in Birnenessig und lässt hochprozentige Schnäpse brennen. Ihre Bekanntheit verdanken die Ribbecks dem märkischen Dichter und Schriftsteller Theodor Fontane (1818-1898). Mit dem Gedicht vom Birnbaum im Havelland setzte er ihnen ein Denkmal. Erzählt wird die Parabel von einem Mann, der über den Tod hinaus Kinder beschenkt. Von Ribbeck kann die Verse gut zitieren. »Das Gedicht gibt mir Anregungen, wie Probleme zu lösen sind«, sagt er.

»In Brandenburg sind manche adlige Rückkehrer zu unverzichtbaren Trägern des zivilgesellschaftlichen Engagements geworden«, sagt die Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung, Martina Weyrauch. Die Behörde hat ein Buch unter dem Titel »Heimat verpflichtet« herausgegeben. Befragt wurden Blaublütige, die den »Marschbefehl der Ahnen« befolgten und den Neuanfang wagten.

Von Ribbecks Eltern und Großeltern wären vermutlich stolz auf den 75-Jährigen. »Ich hatte mir manches anders erträumt«, gibt er zu und erinnert an den Aufbruch nach der Wende. »Wir waren davon überzeugt, dass wir unser Eigentum zurückerhalten.« Etwa 300 Hektar fielen zu DDR-Zeiten als Bodenreformland an Neubauern, 1600 Hektar wurden Volkseigentum - und die Familie ging in den Westen.

Über die Zeit nach dem Mauerfall und den Kampf um das Eigentum könnte von Ribbeck Romane schreiben. Immerhin saß der Großvater als Nazigegner ab 1944 im Konzentrationslager Sachsenhausen gekommen und wurde dort. Fast ein Jahrzehnt beschäftigten sich dann Brandenburger Behörden mit dem Fall.

Nach einem Vergleich 1999 ist das Thema für den Rückkehrer abgeschlossen. »Ich habe meinen inneren Frieden gefunden.« Preußisch nüchtern stellt er fest: »Eine Entschädigung erleichterte uns den Neuanfang.« Den Schmerz, dass er das Schloss nicht kaufen durfte - der Landkreis gab es nicht aus der Hand, er betreibt dort ein Museum und ein Restaurant - habe er überwunden. Dafür erwarb der 75-Jährige das Grundstück des ehemaligen Reit- und Kutschpferdestalls. Ein Wink auf die Tradition muss sein: Die Architektur des Hauses erinnert an das im 19. Jahrhundert abgebrannte Schloss. Im Wohnzimmer hängt die alte Grafik. Von Ribbeck fragt sich, wie er das alles schaffen konnte. Nur Gottvertrauen reichte nicht. »Ich wusste, dass ich Gummistiefel anziehen musste.« Bei der Pflege des Familiengrabes wurde er einmal irrtümlich für den Gärtner gehalten und Ohrenzeuge, wie über Adlige hergezogen wurde. »Ich stellte mich vor und sagte, dass ich heute wohl keine Leibeigenen mehr auf den Feldern antreibe.«

Rund 700 000 Euro hat von Ribbeck nach eigenen Angaben in die frühere Brennerei investiert, wo er mit einer Mitarbeiterin Essig produziert. Pro Saison werden drei bis vier Tonnen Birnen verarbeitet. »Sie müssen ausgeputzt, geschnippelt, zu Saft, Wein und dann Essig verarbeitet werden«, erzählt er. Essig und Birnenbrände werden übers Internet oder im Hofladen verkauft.

Ribbeck, das zur Stadt Nauen gehört, ist ein Touristenmagnet. Die meisten kämen wegen des berühmten Gedichts, erzählt Bürgermeister Detlef Fleischmann. Der Ort sei darauf eingestellt; mittlerweile gibt es sogar gebührenpflichtige Parkplätze. »Wenn man dann noch einem lebenden Nachfahren des Herrn von Ribbeck sieht, ist das kaum zu toppen.«

Dessen Erbe wird mal ein Familienmitglied antreten, dem das Geschäft mit Essig und Bränden jedoch zu wenig abwirft. Von Ribbecks Sohn verließ samt Frau und drei Kindern Brandenburg nach zehn Jahren Aufbauarbeit wieder. »Ich habe die Aufgabe meiner Vorfahren übernommen«, motiviert sich der Senior. Ein Grab auf dem Familienfriedhof wird ihm dennoch versagt bleiben. Der wurde nach Umbettung seiner Eltern geschlossen. »Vielleicht bekomme ich eine Gedenktafel.« dpa

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