»Je suis Raif Badawi«

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Wo bleibt eigentlich die Kampagne »Je suis Raif Badawi?« Der saudi-arabische Blogger soll am heutigen Freitag die zweiten 50 Peitschenhiebe erhalten; insgesamt wurde der Internet-Autor, der sich für mehr Meinungsfreiheit in dem von Islamisten regierten Saudi-Arabien aussprach, zu 1000 Peitschenhieben verurteilt - eine Hinrichtung auf Raten.

Im Hintergrund, so ist den hiesigen Medien zu entnehmen, würden die diplomatischen Mühlen bereits mahlen, um Badawi das Schlimmste zu ersparen. Es ist zu hoffen, dass die Diplomaten aus den USA und Europa erfolgreich sein werden.

Diplomatische Zurückhaltung kann aber nie die Sache der Medien sein, weshalb es ein Armutszeugnis für die sogenannten Leitmedien ist, dass man mit Verzögerung auf den Fall Badawi reagierte. Die »Steilvorlage«, die die »Je suis Charlie«-Kampagne lieferte, um den Vorgang zu einer Herzensangelegenheit zu machen, blieb dabei ungenutzt. Nur in der Blog-Sphäre findet sich vereinzelt eine Reverenz an den »Charlie«-Slogan, so z.B. im Blog der österreichischen Autorin und Regisseurin Marlene Streeruwitz auf marlenestreeruwitz.at.

Ob Streeruwitz damit für einen größeren Teil der Bevölkerung gesprochen hat, wissen wir nicht. Es gibt keine Umfragen dazu. So bleibt die Meinung der viel zitierten »schweigenden Mehrheit« unbekannt.

Die Kluft zwischen dieser und der veröffentlichten Meinung wird nach Ansicht des Soziologen Hauke Brunkhorst eh immer größer. Als Beispiel dafür nennt Brunkhorst im Interview auf heise.de die Berichterstattung über das Verhältnis zwischen der EU und seinen Bürgern. Die Medien würden aus dem gesunkenen Vertrauen in die EU-Institutionen und die Politik auf eine sinkende Solidaritätsbereitschaft der EU-Bürger und wachsende nationale Vorurteile schließen. Dies sei jedoch ein Fehlschluss, meint Brunkhorst. »Während das Vertrauen in die Institutionen, wie die Eurobarometer zeigen und jeder Fernsehzuschauer, Stammtischbesucher und Internetnutzer weiß, im Keller ist, hat die bürgerschaftliche und soziale Solidarität der Europäer nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 2008 Ausmaße erreicht, wie nie zuvor in der Geschichte der Europäischen Union.«

Das, so Brunkhorst weiter, würden Studien belegen, »die aber im Fernsehen, am Stammtisch und im Internet (wo sie jeder abrufen könnte) unbekannt bleibend und in der verwalteten Öffentlichkeit kein Ohr finden. So ist (...) eine überwältigender Mehrheit der Europäer für einen einheitlichen europäischen Mindestlohn, und die Deutschen, von denen immer wieder das Gegenteil behauptet wird, sind auch dann noch zu 58,1 Prozent dafür, wenn sie dafür erhebliche Lohneinbußen in Kauf nehmen müssten. Darüber werde in den Medien aber nicht berichtet. «Kein Wunder, dass dann jeder glaubt, er wäre von Nachbarn umringt, deren transnationale Solidaritätsbereitschaft sehr viel geringer ist als seine eigene.»

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