Durch Abbruch zu neuer Schönheit

Vier Modellstädte sollen Ideen für den Umgang mit dem Bevölkerungsschwund liefern

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bevölkerung der Städte und Gemeinden außerhalb des Speckgürtels schrumpft und altert dramatisch. Wie man mit diesem Trend umgehen, ihn auch stoppen könnte, soll ein Modellversuch zeigen.

Die Städte Frankfurt (Oder) und Eisenhüttenstadt (Oder-Spree), Wittstock/Dosse (Ostprignitz-Ruppin) und Wittenberge (Prignitz) können sich über zusätzliche Millionen für die Stadtgestaltung freuen. Sie sind aus einem landesweiten Wettbewerb als Sieger hervorgegangen und nennen sich jetzt Modellstadt.

Das Modell Modellstadt ist nicht neu. Schon 1990/91 hatte die Bundesregierung Modellstädte in Ostdeutschland festgelegt, an deren Beispiel man die verheißene eindrucksvolle Nachwendeentwicklung demonstrieren wollte. Dazu zählten Brandenburg/Havel, Wismar, Meiningen und Stendal. Leider erfüllten sich die großen Hoffnungen nicht im erwarteten Maße. Die betroffenen Regionen wurden keine Erfolgsmuster für den Aufschwung-Ost. Nun unternimmt Brandenburg einen neuen Anlauf: Am Dienstag unterzeichnete Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (SPD) gemeinsam mit vier Bürgermeistern eine Kooperationsvereinbarung mit vier Städten an der Peripherie des Landes. Es gehe darum, diese Kommunen »bei der Anpassung innerstädtischer Quartiere an den demografischen Wandel zu unterstützen«. Im Fokus steht die Steigerung der Anziehungskraft der Innenstädte, die langfristige Sicherstellung eines sozialverträglichen Wohnungsangebotes und die Beschleunigung des Stadtumbaus.

Stadtumbau in Brandenburg bedeutete in den vergangenen Jahren in erster Linie den Abriss von 60 000 Wohnungen, weil viele der dort lebenden Menschen keine Perspektive mehr sahen und auf der Suche nach Arbeit und Zukunft ihre Heimat verlassen haben. Der Wohnungsleerstand sank dank der fleißigen Abrissbirne von 14 Prozent (2002) auf neun Prozent (2013). Zwar werde es nötig sein, bis 2030 weitere 20 000 Wohnungen »vom Markt zu nehmen«, denn den berlinfernen Regionen drohe ein Bevölkerungsrückgang um weitere bis zu 18 Prozent, doch »wäre ich inzwischen mit Abriss vorsichtiger«, sagte die Ministerin. Stadtumbau bedeute vor allem, die Attraktivität der Städte zu erhöhen.

Die genannten vier Modellstädte, die sich in einem Wettbewerb gegen 13 Mitbewerber durchgesetzt haben, erhalten insgesamt 42 Millionen Euro aus der Wohnraumförderung und zusätzlich 34 Millionen Euro aus dem Topf Städtebauförderung. Eisenhüttenstadt und Frankfurt (Oder) finanzieren damit vorwiegend den Umbau der »Wohngebiete im Wandel«, Wittenberge den Erhalt wertvoller Altbausubstanz und Wittstock nimmt sich beides vor.

Ministerin Schneider stellte klar, dass die anderen Städte - es gibt immerhin 34 im Land mit Stadtumbaubedarf - nicht leer ausgehen. Vielmehr verspreche sie sich neue Konzepte und Ideen, die die anderen Städte nachnutzen könnten.

Frankfurts Oberbürgermeister Martin Wilke sieht in dem Verfahren einen »nach vorn gewandten Ansatz«. Wer die Dinge positiv sehe, dem werde es auch gelingen, Investoren zu gewinnen. Eisenhüttenstadts Oberbürgermeisterin Dagmar Püschel verwies auf die innerstädtischen Wohnkomplexe (WK) 1 bis 3. Dieses »größte innerstädtische Flächendenkmal in Deutschland« sei im Wesentlichen durchsaniert, nun könnten die Arbeiten am WK 4 fortgesetzt werden. Nach wie vor mit gigantischen Industriedenkmalen aus der Gründerzeit und DDR-Tagen ist Wittenberge befasst, unterstrich Bürgermeister Oliver Herrmann. Sein Wittstocker Kollege Jörg Gehrmann erklärte, dass seine Stadt, die nach der Wende das Ende des Obertrikotagenkombinates mit 2500 Arbeitsplätzen verkraften musste, nun einen Weg »zurück zu ihren Wurzeln« finden müsse.

Zwar geht man in Potsdam auf absehbare Zeit von sinkenden Einwohnerzahlen in den Randlagen aus. Doch Ministerin Schneider macht den Kommunen auch Mut: »Auch die Städte, deren Einwohnerzahlen sinken, müssen für die Menschen und neue Zuzügler attraktiv bleiben«, forderte sie.

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