»Ich bin Al Kaida«

TV-vorab: Dokumentation über das Leben des Zacarias Moussaoui

  • Gitta Düperthal
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.
Ich bin Al Kaida«, sagte Zacarias Moussaoui. Doch auf Videoband dementiert Bin Laden: »Diesen Bruder haben wir nicht berufen, dabei zu sein«. Dennoch wurde Moussaoui der Prozess gemacht. Als einziger Beteiligter an den Anschlägen des 11. September 2001 auf das World Trade Center konnte er in den USA vor Gericht gestellt werden. Ein Symbolprozess sei dem mutmaßlichen 20. Attentäter, der nicht zum Einsatz kam, im Mai 2006 gemacht worden, heißt es in Valentin Thurns Dokumentation »Ich bin Al Kaida«. Der Dokumentarfilmer schildert die Kämpfe der Mutter, die sich im Vorfeld der Verurteilung ihres Sohnes gegen eine drohende Todesstrafe zur Wehr setzte. Er hinterfragt, ob hier nicht etwa seitens der amerikanischen Justiz die einzige Chance ergriffen wurde, überhaupt jemanden für die Anschläge zur Verantwortung zu ziehen. Thurn stellt vermeintliche Gewissheiten in Frage: Ist dieser junge Mann, der von sich behauptete, einen Anschlag auf das weiße Haus steuern zu sollen, überhaupt der so genannte 20. Attentäter? Oder ist er etwa nur ein psychisch gestörter junger Mann, der »sich wichtig tun wollte«; einer, der beabsichtigte, »sich in Szene zu setzen, um endlich einmal ernst genommen zu werden«, wie der Politologe Oliver Roy im Film mutmaßt. Wurde gar Moussaoui einzig zur Projektionsfläche für den Wunsch der Vereinigten Staaten nach Rache? Der Autor stellt weitere unbequeme Fragen: Warum hatte das FBI auf wiederholte Hinweise vier Wochen vor den Anschlägen, als Moussaoui verhaftet wurde, nicht reagiert? Im Film wird erläutert, wie offensichtlich verdächtig er sich verhielt, als er das Fliegen einer Boeing 747 erlernen wollte. Fest steht, dass das FBI die Attentate vom 11. September hätte verhindern können, wären Moussaouis Notizbuch und Laptop rechtzeitig durchsucht worden. Die Dokumentation beleuchtet außerdem aus psychologischen, religiösen, familiären und gesellschaftspolitischen Hintergründen die Frage, was indes den jungen Mann bewogen haben könnte, sich von Al Kaida zum Attentäter ausbilden zu lassen. Der Fernsehautor schildert die persönlichen Lebensumstände des marokkanisch-stämmigen Franzosen Zacarias Moussaoui. Für ihn ist wohl alles schief gegangen, was schief gehen konnte. Einen brutalen Vater hat er gehabt - und eine überforderte Mutter, die sich gegen den Ehemann zur Wehr setzte. Erst spät schaffte sie es, sich tatsächlich scheiden zu lassen. Darunter litten auch Zacarias und seine Geschwister. Dennoch sei er zunächst ein fröhlicher junger Mann gewesen, ist zu erfahren. Eine Freundin hatte er, er liebte Partys, trank mitunter auch Alkohol, sei nicht besonders religiös gewesen. Von Bekannten und Verwandten wird er als weitgehend westlich orientiert bezeichnet. Doch Freunde und seine Mutter schildern, er habe immer wieder Probleme aufgrund rassistischer Auseinandersetzungen gehabt: mit Türstehern vor der Disco, die ihn nicht hereinlassen wollten; mit den Eltern seiner Freundin, die ihn nicht akzeptieren mochten. Wurde der junge Mann durch gesellschaftliche Ausgrenzung in die Fänge des radikalen Imam Abu Hamsa getrieben? War er deshalb leichte Beute für den Gottesprediger, der für den Dschihad gegen Ungläubige motivieren wollte? In der Dokumentation kristallisiert sich heraus, dass die Religion zweitrangig gewesen sein muss. Diese jungen Leute seien desorientierte Rebellen auf der Suche nach einem Ziel, konstatiert Oliver Roy. Dem Fernsehautor ist ein eindringlicher Dokumentarfilm gelungen, der sich nicht in platter Sch...

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