Werbung

Flüchtlinge lernen schweißen

Ein Sprachkurs, ein Lehrgang, ein Praktikum - und die Aussicht auf eine Arbeitsstelle

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
In Fürstenwalde absolvieren 14 Flüchtlinge eine Schweißerausbildung. Den vorangegangenen Deutschkurs bezahlte der Landtagsabgeordnete Volkmar Schöneburg (LINKE).

Alex Djeming stammt aus Kamerun. Er ist 33 Jahre alt und seit 15 Monaten in Deutschland. Er wohnt im Asylheim der Gesellschaft für Arbeit und Soziales (GefAS) an der Hegelstraße 22 in Fürstenwalde - und er möchte arbeiten. Djeming hat Aussicht auf eine Stelle bei der Firma Reuther, die gar nicht weit vom Asylheim entfernt Teile für Windkraftanlagen produziert. Die Firma würde Djeming als Hilfsarbeiter einstellen - ihn und andere Flüchtlinge. Die Bedingung: Sie müssen den Schweißerpass machen. Das geht natürlich nicht ohne Deutschkenntnisse, den Fachwortschatz inbegriffen.

Deswegen haben 14 Asylbewerber aus Kamerun, Somalia und Marokko, aus Afghanistan und dem Tschad zwei Wochen lang Deutsch gebüffelt - täglich von 14 bis 18 Uhr, insgesamt 50 Stunden lang. Am Freitag wurden die Arbeitsanzüge ausgegeben. Diese Woche absolvieren die 14 Männer einen einwöchigen Grundlagenkurs in Metallbearbeitung beim Fürstenwalder Aus- und Weiterbildungszentrum. Danach beginnt dort die Schweißausbildung, die bis zum 20. März läuft. Zum Abschluss gibt es bis zum 30. April ein Betriebspraktikum bei der Firma Reuther.

Anschließend wählt die Firma die Männer aus, die den Schweißerpass erworben und ihre Eignung bewiesen haben. Theoretisch könnten es alle 14 Flüchtlinge schaffen, sagt Karl-Heinz Ziegler vom Sozialdienst der GefAS. Das sei aber unwahrscheinlich, bedauert er. Denn einer der Männer könne kaum seinen eigenen Namen schreiben. Solche Defizite bei der Schulbildung im Heimatland sind so schnell kaum aufzuholen. »Es könnte aber durchaus sein, dass die Kurse wiederholt werden«, sagt Ziegler. »Die Firma Reuther sucht händeringend Schweißer und findet keine.« Sie wäre bereit, noch mehr als 14 Flüchtlinge einzustellen. Arbeit sei genug vorhanden, heiße es. In Fürstenwalde leben derzeit etwa 600 Flüchtlinge, 90 davon im GefAS-Heim. Die anderen sind in zwei weiteren Gemeinschaftsunterkünften und in Wohnungen untergebracht.

Deutschlehrer Dietmar Fritz lobt den Eifer seiner Sprachschüler, die zwischen 18 und 44 Jahre alt sind. »Sie helfen sich untereinander sehr gut«, freut er sich. Einige fingen in Deutsch bei Null an und verstanden nicht einmal Englisch. Andere hatten Vorkenntnisse der deutschen Sprache und mit ihnen könne er sich über einfache Dinge wie das Woher und Wohin jetzt schon sehr flüssig unterhalten, sagt Fritz. Bei ihnen ging es nur noch darum, den Fachwortschatz zu pauken. Zuletzt nahm Fritz die Vokabeln für die Arbeitsschutzbelehrung durch. Denn die werde in der praktischen Ausbildung ganz am Anfang stehen, weiß der Deutschlehrer. Über das Gelingen des Projektes meint er vorsichtig: »Für mich steht ein großes Fragezeichen dahinter.« Immerhin habe man Neuland betreten und musste erst Erfahrungen sammeln. Wenn sich herausstelle, dass die Sprachkurse anders gestaltet werden müssten, so ließe sich dies beim nächsten Mal machen.

Karlheinz Ziegler erläutert, die Arbeitserlaubnis für Flüchtlinge sei durch die Politik erleichtert worden. Die Arbeitsagentur müsse nun nicht mehr zustimmen, wenn die Asylbewerber schon länger als 15 Monate in Deutschland sind. Nur die Ausländerbehörde müsse dann noch ihren Segen geben, und sie werde es tun, ist Ziegler überzeugt. Die Behörde wisse, dass die Flüchtlinge im Landkreis Oder-Spree niemandem die Arbeit wegnehmen. Im Gegenteil: Ihre Hilfe sichert Arbeitsplätze, wenn sie verhindert, dass Firmen wegen Fachkräftemangels abwandern.

Asylbewerber auszubilden, ist also eine gute Idee. Zunächst klemmte es aber bei der Finanzierung. Doch daran sollte es nicht scheitern. Als der Landtagsabgeordnete Volkmar Schöneburg (LINKE) von den Problemen hörte, spendete er für den Sprachkurs kurzentschlossen 1700 Euro. Das sind ungefähr seine Mehreinnahmen für ein Jahr durch die jüngste Diätenerhöhung, hat Schöneburg grob überschlagen. Ob er mehr gegeben hat, als er tatsächlich mehr Geld bekommt, rechnete der Abgeordnete nicht genau aus. »Das ist mir auch egal«, sagt er. »Mir tun diese 1700 Euro nicht weh und ich kann etwas Sinnvolles unterstützen. Das ist doch ein wunderbares Integrationsprojekt.«

Am Freitag besuchte Schöneburg den Sprachunterricht, der im Keller des Asylheims stattfand. Er glaubt, richtig gehandelt zu haben. Aufzuklären, wie die Situation wirklich ist, das sei angesichts der Hetze gegen Flüchtlinge wichtig, findet Schöneburg. Er meint: Die Asylbewerber wollen zupacken und sie werden als Arbeitskräfte gebraucht.

Alex Djeming hat Informatik studiert und in Kamerun mit Computern gearbeitet. Er spricht bereits sehr passabel Deutsch und erzählt, nun wolle er sehr gern als Schweißer bei der Firma Reuther anfangen. Zwei Kinder hat der 33-Jährige, die bei seinen Eltern in der Heimat leben. Ob er sie nachholen möchte? Djeming lächelt. Natürlich. Aber erst einmal müsse er Arbeit haben und in Deutschland bleiben dürfen. Djeming deutet nach oben. Was er damit meint, ist klar: Sein Schicksal liege in Gottes Hand.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal