Russische KZ-Überlebende erwartet

Je 100 Häftlinge feiern in Sachsenhausen und Ravensbrück den 70. Jahrestag der Befreiung

Wohl zum letzten Mal kommen so viele ehemalige KZ-Häftlinge in Sachsenhausen und Ravensbrück zusammen. Die Gedenkstätten freuen sich über höhere Zuwendungen der rot-roten Koalition.

Vom 17. bis zum 20. April feiert die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten in Oranienburg, Fürstenberg/Havel und im Todesmarschmuseum im Belower Wald den 70. Jahrestag der Befreiung der KZ Sachsenhausen und Ravensbrück. Eingeladen sind jeweils rund 100 Überlebende. Sie werden, wie Stiftungsdirektor Günter Morsch am Donnerstag sagte, von überall her kommen - trotz der Krise in der Ukraine auch von dort und aus Russland. Ein Höhepunkt der Feierlichkeiten wird am 20. April die Einweihung des neuen Gedenkorts für das berüchtigte KZ-Außenlager Klinkerwerk sein.

Sie komme sich derzeit vor wie eine Veranstaltungsmanagerin, berichtete Insa Eschebach, die Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. 32 Veranstaltungen werde es zum Jahrestag der Befreiung des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück geben, davon 13 aus dem Ausland organisiert, sagte sie froh.

Es werde wohl das letzte Mal sein, dass so viele Überlebende zurückkehren, vermutete Morsch. Schließlich seien die meisten verbliebenen Überlebenden heute 90 Jahre und älter. Land und Bund haben »nicht geknausert« und »großzügig« 650 000 Euro für die Einladung und für die Veranstaltungen bereitgestellt, sagte Morsch.

Einmal aufs Geld zu sprechen gekommen, lobte der Direktor die rot-rote Koalition. Das Land Brandenburg habe die Zuwendungen an die Stiftung um 80 000 Euro im Jahr erhöht und bezahle außerdem die Hälfte der zusätzlichen Personalkosten infolge von Tariferhöhungen. Die Besucherzahlen in Sachsenhausen seien seit 1993 von 168 000 auf 600 000 geklettert, die finanziellen Zuwendungen hielten nicht Schritt, erinnerte Morsch, der diese Entwicklung in den vergangenen Jahren regelmäßig beklagt hatte. Die Schere sei immer weiter auseinander gegangen. 2013 habe die Stiftung deswegen 300 000 Euro von Baumaßnahmen abgezweigt, damit Ankäufe für die Bibliothek und andere Dinge möglich blieben. »Wir haben von der Substanz gelebt«, bedauerte Morsch. Nun sprach er erfreut von einer »Trendwende«. Leider ziehe der Bund nicht nach. Sein Anteil an der Finanzierung der Gedenkstätten sinke damit unter 50 Prozent.

Einen »Durchbruch« sieht Morsch für Brandenburg-Görden. Im dortigen Zuchthaus sind in der Nazizeit an die 2000 Todesurteile vollstreckt worden. Es war die wichtigste Hinrichtungsstätte nach Plötzensee. Nun soll das alte Direktorenhaus ins Eigentum der Stiftung übergehen, so dass Günter Morsch und seine Mitarbeiter die große Hoffnung haben, noch in diesem Jahr mit der Arbeit an einer Ausstellung beginnen zu können. Dafür, dass sie der Übergabe des Gebäudes zustimmten, dankte Morsch ausdrücklich Finanzminister Christian Görke und Justizminister Helmuth Markov (beide LINKE) .

In Sachsenhausen wird am 22. März im Turm A über dem historischen Lagereingang eine Dauerausstellung über besonders brutale SS-Männer eröffnet. »Spezifikum eines KZ sind die Grausamkeiten, die täglichen Gewaltexzesse«, erläuterte Morsch. 66 Täterbiografien werden vorgestellt und acht Taten eingehender beleuchtet. Dazu gehört der von sechs SS-Blockführern durch tagelange Folter verübte Mord an Rechtsanwalt Kaspar Anraths im März 1940.

Geschildert wird auch der Fall des Häftlings Karl Göntges, dessen Flucht aus Sachsenhausen am 4. November 1936 die Schriftstellerin Anna Seghers zu ihrem Roman »Das siebte Kreuz« anregte. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Belgien wurde Göntges 1940 gefasst und nach Sachenhausen zurückgebracht. Um weiteren Misshandlungen zu entgehen, nahm er sich im Februar 1941 mit einem Sprung in den Hochspannungszaun das Leben.

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