Auf Beschluss des Greizer Stadtrates soll die Bronzeplastik »Kampf und Befreiung vom Faschismus« des Berliner Bildhauers Jürgen Raue am Eingang des Greizer Parks entfernt werden.
Seit 1971 erinnert in Greiz ein Denkmal an die sowjetischen Opfer der Zwangsarbeit in der Stadt. Nach Angaben des »Heimatgeschichtlichen Wegweisers« gab es in Greiz mindestens zwölf Zwangsarbeitslager. Im Frühjahr 1944 wurden allein 404 »Ostarbeiter« in Greizer Firmen ausgebeutet. Auf dem alten Friedhof der Stadt sind 120 sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter in einem Massengrab beerdigt. 56 sowjetische und sieben polnische Zwangsarbeiter ruhen in einem weiteren Grab. Die Opfer seien regelrecht verhungert und dann »verscharrt« worden, ohne dass die Grabstätten gekennzeichnet wurden, sagte der ehemalige PDS-Stadtrat Rainer Vogel, dem ND. Vor diesem Hintergrund lässt das Eingeständnis von Bürgermeister Gerd Grüner (SPD), bei der Entscheidung hätten auch Fragen der »Geschichtsbetrachtung« eine Rolle gespielt, Schlimmes ahnen.
Offenbar sollte das Denkmal ohne großes Aufsehen in aller Stille beseitigt werden. Erst der Leserbrief eines entrüsteten Greizers, der durch Zufall von Bauarbeitern erfahren hatte, das »Ding« komme weg, hatte für offenbar unerwünschte Öffentlichkeit gesorgt. In einem Offenen Brief forderte der Ortsvorsitzende des Freidenkerverbandes, Dr. Michael Gölles, von der Stadt Aufklärung über die Abriss-Planungen, vor allem aber darüber, was mit der Bronzeplastik künftig geschehen soll. Die Antwort fiel dürftig aus. Es gehe um die würdige Gestaltung des Parkeinganges, ließ die Stadtverwaltung lediglich wissen. Die von dem Mahnmal ausgehende ernste Atmosphäre stehe im Widerspruch zu der für einen Landschaftspark gewünschten heiteren Stimmung, vermerkt der mit der Stimmenmehrheit von CDU und SPD gefassten Beschluss.
In der öffentlichen Stadtratssitzung versuchte sich der Bürgermeister hinter der Bundesgartenschau 2007 zu verstecken, mit der es Absprachen gebe. Dann schob die Stadt den Schwarzen Peter der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten zu, die verlangt habe, das Denkmal zu entfernen. Eine Sprecherin der Stiftung wies das zurück und betonte, ein solches Verlangen habe es nie gegeben. Einer neuen Legende zufolge sei die Plastik nur ein Duplikat des in Auschwitz stehenden Originals. Der DDR-Zeitschrift »Bildende Kunst« Heft 11 von 1970 zufolge aber hatte Raue den Auftrag von der Stadt Greiz erhalten und die in Auschwitz stehende Plastik als abgewandelte Zwischengröße für das Original angefertigt. Die Vorsitzende der Linksfraktion im Stadtrat, Steffi Beubler, verurteilte das Vorhaben als »falsches Signal«. Sie habe kein Verständnis dafür, dass in Zeiten zunehmenden Rechtsradikalismus ein antifaschistisches Denkmal abgerissen werden solle.
Die Sorge, dass die Plastik nicht nur »umgesetzt« wird, sondern verschwindet, hat einen realen Hintergrund. In unmittelbarer Nachbarschaft befanden sich Gedenksteine für Opfer der Zwangsarbeit. Die waren bei Arbeiten zum Hochwasserschutz entfernt worden und sollten auf dem alten Friedhof verbracht werden. Auf dem verwilderten Gelände sind sie bis heute nicht zu finden. Für Gölles ist klar: »Wer Hand an das Mahnmal legt, vergreift sich an den Opfern des Faschismus wie jene Spitzbuben, die am Krämer-Monument auf dem Ettersberg sägten.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.