Wehrmacht falsch angefasst

Garnisonkirchen-Funktionär schreibt von beispiellosen Leistungen bei Mobilmachung

Der Vorsitzende der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche schrieb über die Mobilmachung 1918 bis 1945. Ihm wird vorgeworfen, die Wehrmacht verherrlicht zu haben.

Es wäre ein Skandal. Ex-Bundeswehroberst Burkhard Franck, seines Zeichens Vorsitzender der Fördergesellschaft für den geplanten Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche, soll die Wehrmacht verherrlicht haben. Vorgeworfen wird ihm dies von der Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche (BI).

Die BI nimmt Bezug auf einen Beitrag Francks über die »Geschichte der Mobilmachung in Preußen und Deutschland 1918-1945«, der in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift »Militärmuseum Brandenburg-Preußen« veröffentlicht wurde. Darin schreibt Franck von »beispiellosen organisatorischen Leistungen der Wehrmacht bei der Vorbereitung, Durchführung und Fortsetzung der Mobilmachung bis zum Äußersten«. Die BI hält dies angesichts der »beispiellosen Verbrechen« der Wehrmacht für einen »skandalösen Affront«, der nicht vereinbar sei mit der Friedens- und Versöhnungsarbeit, die von der Stiftung Garnisonkirche Potsdam angestrebt werde.

In Offenen Briefen wandte sich Simon Wohlfahrt im Namen der BI am Montag an die Mitglieder des Stiftungskuratoriums: an die ehemaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe und Matthias Platzeck und an Kulturministerin Sabine Kunst (alle SPD) sowie an Altbischof Wolfgang Huber und an den früheren Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), der vor seiner politischen Karriere Bundeswehrgeneral gewesen ist. In den Briefen forderte die BI, »die nötigen Konsequenzen zu ziehen«. Die Stiftung solle sich von Francks Aussagen distanzieren, die Zusammenarbeit mit ihm und seiner Fördergesellschaft beenden und Franck aus dem Kuratorium ausschließen.

Die Behauptung, er verherrliche die Wehrmacht, sei »gänzlich falsch«, reagierte Franck am Dienstag. »Im Gegenteil: Für mich ist die Tatsache, dass auch bei der Wehrmacht Einsatzbereitschaft, Mut und Ausbildung teilweise mit völliger moralischer Blindheit einhergingen und schändlich missbraucht wurden, einer der Gründe für mein Engagement für die Garnisonkirche.« Deshalb setze er sich auch dafür ein, so Franck, dass »die Garnisonkirche mit dem Gedenken an die Männer des 20. Juli 1944 verbunden wird, die den Mut hatten, die Verbrechen der Nationalsozialisten und die Verstrickung der Wehrmacht in diese Verbrechen zu erkennen und unter Einsatz ihres Lebens versucht haben, diesen Verbrechen ein Ende zu setzen«.

Derartig eindeutig formuliert Franck in seinem vierseitigen Zeitschriftenbeitrag leider nicht. Sein Thema, gesetzliche Grundlagen und technische Details der Mobilmachung, handelt er dort im trockenen Stil eines Fachidioten ab. Da ist beispielsweise die Rede von territorialem Ergänzungsprinzip. Man darf Franck vorhalten, dass er hier keine Gelegenheit nutzt, Verbrechen von Wehrmacht, SS und Polizeidivisionen zu erwähnen. Historiker bringen in der Regel mindestens ein paar Worte über die Ungeheuerlichkeiten des Faschismus unter, wenn sie die Nazizeit streifen. Francks Text hätten ein paar Sätze dieser Art gut getan.

Eine Verherrlichung der Wehrmacht lässt sich in seinem Beitrag aber in der Tat nicht nachweisen. Denn es spricht einiges für seine These, das Mobilmachungssystem der Wehrmacht habe sich als leistungsfähiger erwiesen als das Vorgehen des kaiserlichen Heeres 1914. Außerdem erreichte die Ausnutzung aller militärischen Ressourcen in der Nazizeit wirklich ein beispielloses Ausmaß. Das zeigte sich beim Verheizen minderjähriger Jungen und alter Männer an den zusammenbrechenden Fronten. Die Eroberung weiter Teile Europas, das zeitweilige Standhalten gegen eine Übermacht und das wahnwitzige Morden bis zur letzten Minute wären ohne effiziente Organisation nicht möglich gewesen. Es ist dies gerade eines der Merkmale der Nazizeit: Das Einhergehen unvorstellbarer Grausamkeit und kalter Bürokratie. Franck beschränkt sich in seiner Darstellung auf die verwaltungsmäßige Abwicklung. Nur an einer Stelle verwendet er immerhin die Formulierung »Militarisierung von Staat und Gesellschaft«.

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