Garnisonkirche brannte wie eine Fackel

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Potsdam und die Stiftung für den Wiederaufbau der Garnisonkirche erinnern an den Bombenangriff am 14. April 1945.

Am 14. April will Potsdam daran erinnern, dass die Stadt in einer Nacht vor 70 Jahren ihr historisches Zentrum zu 80 Prozent eingebüßt hat. Bei diesem anglo-amerikanischen Bombenangriff, einem der letzten des Zweiten Weltkriegs auf eine europäische Großstadt, verloren fast 2000 Einwohner ihr Leben.

Zur Erinnerung daran schuf der Maler Wolfram Baumgardt das Triptychon »Die Garnisonkirche brannte wie eine Fackel«. Das Kunstwerk wurde am Mittwoch vorgestellt. Zu sehen ist darauf weniger die Kirche als vielmehr das Inferno der brennenden Stadt. Am Jahrestag sollen um 22.16 Uhr in Potsdam die Kirchenglocken läuten. Pfarrerin Cornelia Radeke-Engst machte darauf aufmerksam, dass diese »Nacht von Potsdam« sich letztlich ergab aus dem »Tag von Potsdam« zwölf Jahre zuvor, als die Nazis in der Garnisonkirche die Eröffnung des Reichstags zelebrierten. Die Entwicklung habe Verderben über ganz Europa gebracht und zuletzt auch über Potsdam selbst. Sie wolle vor dem Hintergrund der geschichtlichen Abfolge keinen Zweifel daran lassen, sagte Radeke-Engst: »Die Deutschen haben diesen Krieg angefangen.«

Am 14. April 1945 wurde die Garnisonkirche nicht von Bomben getroffen, aber Funkenflug vom Marstall setze das Gebäude in Brand. Die Kirche, die spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts als militärische Ruhmeshalle und Erinnerungsort des preußischen Nationalismus gedient hatte, blieb noch bis 1968 als Ruine stehen. Dann wurden die Überreste gesprengt und abgetragen.

Der geplante Wiederaufbau als Friedens- und Versöhnungszentrum, der 100 Millionen Euro kosten soll, ist umstritten. Die zunächst ins Auge gefasste Errichtung von Turm und Seitenflügel würde 40 Millionen Euro kosten. 17 Millionen fehlen noch zu dieser Summe. Derzeit befindet sich am historischen Standort der Kirche eine provisorische Kapelle.

Die Stadt Potsdam wird am Abend des 14. April im Potsdammuseum am Alten Markt einen Empfang geben. Um 21.30 Uhr spielt dort die Kammerakademie Potsdam das Streichquartett Nr. 8 von Dimitri Schostakowitsch - »im Gedenken an die Opfer von Faschismus und Krieg«. Burkhart Franck, Vorsitzender der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau, kündigte an, als Bestandteil des Gedenkens werde zeitweilig eine Skulptur aufgestellt, die »Der Wächter« heiße und aus den Resten eines über Deutschland seinerzeit abgeschossenen Flugzeuges geformt sei. Pfarrerin Radeke-Engst zeigte sich nicht eingeweiht und skeptisch: »Das ist komisch, wir kennen diesen Künstler alle nicht.« Es gehe nicht, »dass wir das nicht wissen«.

Die Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche plant anlässlich des zehnten Jahrestages der Grundsteinlegung am 14. April um 18 Uhr in der Breiten Straße eine Gedenkveranstaltung, bei der die bisherigen »Erfolge« des scheinbar unendlichen Bauvorhabens gewürdigt werden sollen.

Bereits am Dienstag hatte Stadtarchäologin Gundula Christl etwa 50 Originalteile der Garnisonkirche übergeben. Die Sandsteinelemente waren bei Bauarbeiten entdeckt worden.

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