Cleveres Minidoping in der Nacht

Antidoping-Kämpfer fordern nach spektakulärer Studie in Frankreich Kontrollen auch zur Schlafenszeit

  • Jörg Mebus, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Dopingstudie aus Frankreich liefert spektakuläre Ergebnisse - und eine Blaupause für einen Dopinggebrauch, der kaum Spuren hinterlässt. Die NADA forderte umgehend Dopingtests in der Nacht.

Guillaume Antonietti blickt erst nachdenklich in die Kamera, dann lächelt er. »Das ist wie von einem anderen Planeten«, sagt er und fügt rasch hinzu: »Aber es ist auch beängstigend.« Wenig später rennt er wieder im Affenzahn durch Paris und fühlt sich, als könnte er »ewig so weitermachen«. Antonietti, ein gut trainierter Amateursportler, war Teilnehmer einer spektakulären Studie, die die größten Befürchtungen aller Antidoping-Kämpfer bestätigte: Doping in Mikrodosierung ist hochwirksam - und kaum nachweisbar.

Die Folgen können gravierend sein. Die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) forderte umgehend Dopingtests in Nachtstunden. Die in der Studie angewandte Art des Dopings zeige, »dass Kontrollen - in verhältnismäßiger Anzahl - auch zwischen 23 Uhr abends und sechs Uhr morgens durchgeführt werden müssen, damit hier keine Lücke vorhanden ist«, hieß es in einer NADA-Stellungnahme.

Acht Ausdauerathleten waren unter medizinischer Aufsicht einen Monat lang mit Eigenblut, Epo, Wachstumshormon und Kortikosteroiden gedopt worden. Regelmäßig, aber nur in minimalen Mengen wurden ihnen die bekannten Dopingmittel gespritzt. Sie hinterließen keine Spuren in den Blutpässen der Probanden.

Die Steigerung der Leistungsfähigkeit war enorm. Ein Athlet, der täglich 24 Kilometer weit lief, drückte seine Bestmarke während der Testphase auf dieser Strecke um zehn Minuten. Die größte Steigerung beim 3000-m-Lauf innerhalb der 29 Tage: sagenhafte 31 Sekunden. »Dieser Leistungszuwachs ist überraschend. Diese Mikrodosierung hatte einen enormen Effekt, das war vorher in diesem Maße nicht bekannt«, sagte der Nürnberger Pharmakologe und Dopingexperte Fritz Sörgel und sprach von einer Blaupause für betrügende Spitzensportler: »Man muss davon ausgehen, dass es so gemacht wird.« Auch er forderte vehement Nachttests: »Verdammt noch mal, weckt die Leute nachts auf.«

Dafür plädiert der Heidelberger Dopingexperte Werner Franke seit Jahren. Insofern sieht er nun auch eine große Chance für die Antidoping-Kämpfer. »Wer mit Mikrodosen dopt, ist nachts quasi immer auf Stoff. Ein Test im Jahr mitten in der Nacht könnte da schon reichen«, sagte Franke: »Aber solange die Nacht tabu ist, ist alles für die Katz.«

Doping in Mikrodosen ist - wenn überhaupt - nur innerhalb weniger Stunden nachweisbar. Fällt dieser Zeitraum in die Nacht, kann sich der Athlet praktisch sicher sein, nicht erwischt zu werden. Dopingkontrollen zwischen 23 Uhr und sechs Uhr sind zwar möglich, werden aber praktisch nicht durchgeführt. Die Welt-Antidoping-Agentur WADA lässt sie nur in »begründeten Fällen« zu. Sie hatte für die brisante Testreihe zuvor die Erlaubnis erteilt. Während der Studie wurden die Athleten nie positiv getestet. Die NADA kündigte eine Untersuchung der Ergebnisse an und verwies auf die »kriminelle Energie«, die für diese Dopingform notwendig sei, da man für Mikrodosierungen »entsprechendes Know-how« und »professionelle Anleitung« brauche.

Mit eigentümlicher Logik fügte die NADA hinzu: »Dies zeigt, dass das Kontrollsystem immer engmaschiger wird - bei höheren Dosierungen ist das Risiko für Doper, erwischt zu werden, hoch.« Seit Jahren ertappt sie nur einen verschwindend geringen Anteil der gedopten Sportler, so waren 2013 von 8106 Trainingskontrollen nur drei positiv. SID/nd

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