Klassen kämpfen für die Schule

Große Beteiligung am Protest von Schülern gegen Sparpolitik und soziale Auswahl

  • Johannes Heck
  • Lesedauer: 3 Min.
Nachdem am Dienstag die Charité in den Streik getreten war, protestierten gestern Schüler gegen Sparpolitik. Nach Angaben der Veranstalter waren 10 000 dem Aufruf gefolgt, um für Lehrmittelfreiheit und gegen das dreigliedrige Schulsystem zu protestierten. Nach einer Auftaktkundgebung zog eine Demonstration durch Mitte. Am Nachmittag spielte die Band Tiefenrausch zur Begleitung des Protestes. 100 Euro im Jahr für Schulbücher im Jahr bezahlen zu müssen, mache viele Schüler wütend. Auch immer größere Klassen verstärken nach Ansicht einiger Redner bei Schülern das Gefühl, von dieser Gesellschaft nicht gewollt oder gebraucht zu werden. Die PISA-Studie habe zudem gezeigt, dass das deutsche System Kinder aus sozial schwächeren Familien besonders benachteilige. Wenn nun auch Studiengebühren eingeführt würden, verstärke das die soziale Selektion nochmals. Einzelne Redner forderten, den demokratischen Anspruch der Schule endlich umzusetzen und Schüler tatsächlich mitentscheiden zu lassen, was und wie sie lernen. Auch über die Situation von Migranten wurde berichtet, die zum Teil ständig von Abschiebung bedroht zur Schule gehen. Viele Redner betonten, dass es für den Erfolg der Schülerproteste wichtig sei, sich mit anderen sozialen Gruppen wie den Studenten, den Arbeitslosen und vor allem den Arbeitenden zusammenzutun. »Die Franzosen haben uns gezeigt, wie man gewinnen kann!«, sagte der um Solidarität mit dem Kampf der Charité werbende Betriebsrat Carsten Becker, der ebenfalls als Redner eingeladen war. Ein Bündnis aus Schülern verschiedener Schulen hatte die Sommerferien hindurch an der Vorbereitung des Protestes gearbeitet. Unterstützt wurde es dabei von einem breiten Spektrum linker Organisationen von solid, über die Jungdemokraten bis hin zum trotzkistischen RSB. Im Vorfeld des gestrigen Protestes wurden nicht nur tausende von Flugblättern an den Schulen verteilt, sondern auch mehrere Workshops zu politischen Fragen angeboten. Am Sonntag schließlich gab es noch eine Aktionskonferenz mit 60 Teilnehmern. Die Beteiligung schätzten viele Aktivisten als großen Erfolg ein. »Wir hatten schon Sorge, dass es deutlich weniger werden«, meinte eine der Organisatorinnen, »da es zum Teil erst sehr kurzfristig gelungen ist, Multiplikatoren an den Schulen zu finden«. Einige Schüler wurden massiv eingeschüchtert. Nicht nur »unentschuldigte Fehlstunden«, sondern auch schlechte Noten wurden von Lehrern angedroht. Schulleiter überlegten, die Schüler in den Gebäuden einzuschließen. Zum Glück gab es auch demokratisch gesinnte Lehrer, die mit ihren Klassen zum Protest kamen. Die Polizei erklärte einigen Schülern während der Kundgebung dann auch noch mal die Spielregeln der Demokratie. Wegen angeblichen Abreißens von Wahlplakaten wurden drei Demonstrationsteilnehmer zeitweilig festgenommen. »Schade eigentlich, dass die Polizei an einem so schönen Protesttag nicht mal etwas toleranter sein kann«, meinte Anna (15) von einer Realschule in Steglitz.
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