»Wir sitzen hier 100 Jahre und machen nur Blabla«

Linke Gruppen luden zu einem Debattierabend

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.
Ein Hauch von Konspirativem wehte am Dienstagabend durch das Hinterzimmer der Neuköllner Kneipe »La Bodega«, als sich vier Sozialisten mit 20 Linken bei Bier und Apfelschorle zu einem Rededuell trafen. »Warum zieht die Linke nicht gemeinsam an einem Strang?«, war die Fragestellung vor den Wahlen, und Antworten finden sollten Rolf Berthold vom »Rotfuchs«-Förderverein, Hartwig Strohschein (Nach-Wende-Ost-KPD), Sascha Stanicic (SAV und WASG), Jörg Irion (MLPD). Nicht dabei Linkspartei und DKP. Das war auch nicht erforderlich, man war sich schon zu viert uneinig genug, wer denn nun der einzig wahre Gralshüter der reinen Lehre sei. Die WASG empfahl sich als die »konsequenteste Interessenvertreterin« aller Entrechteten, was der MLPD-Mann natürlich so nicht hinnehmen konnte. Im Gegenzug bekam WASG ihr Fett weg, weil sie beim Sternmarsch am Sonnabend in Berlin, wo MLPD die Strippen zieht, »nicht mit offenen Karten spielt«. Und so purzelte es dann munter durcheinander: Wie eine richtige Diktatur des Proletariats aussehen könnte, wie die werktätigen Massen mobilisiert werden müssten, wann und wie der Staat in einer kommunistischen Gesellschaft absterben wird. »Das ist jetzt theoretisch, klar, rein theoretisch«, dozierte der KPD-Mann. Der Arbeiter, der Werktätige, so erfährt der erstaunte Zuhörer, ist nicht von Natur aus links und sozialistisch, er muss erst auf den richtigen Weg gebracht werden. Mit Geduld und revolutionärer Erziehung. Einigkeit bei allen: Es ist ein langer Weg und kostet viel Zeit. Das »Modell Venezuela« machte die Runde. Als dann auch noch ein älterer Herr von einer »Humanwirtschaftspartei« Dinge erzählte, die keiner verstand, war die Verwirrung komplett. Volkes Stimme vom Nebentisch warf schließlich ein, dass man noch 100 Jahre hier sitzen könne und doch nur Blabla mache. An der Haltung zur DDR schieden sich die revolutionären Geister. Der Ruf von der Stasi-Diktatur provozierte die Gegenwehr der Ostgenossen, die sich die Errungenschaften der DDR nicht durch unqualifizierte Bösartigkeiten kaputt reden lassen wollten. Der Klassenfeind, so schien es, hatte bei den Westlinken ganze Arbeit geleistet und der imperialistischen Propaganda argumentatorisch Tür und Tor geöffnet. Konsens am Ende: Miteinander reden ist besser als nicht miteinander reden. Und Fazit in einem Satz: Die dort vertretene Linke zieht schon...

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