Bündnis, Wechsel, Zünglein an der Waage

Die BVV-Wahlen am Sonntag könnten besonders für Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Pankow spannend werden

  • Anke Engelmann
  • Lesedauer: ca. 4.0 Min.
Ein Kreuzchen auf dem orangefarbenen Stimmzettel für die Entscheidung, wie sich in den nächsten vier Jahren die Bezirksparlamente zusammensetzen: Das sollte auch Wahlmuffel und überzeugte Nichtwähler ansprechen. Schließlich ist das, was unmittelbar vor ihrer Haustür passiert, auch für Politikverdrossene spannend. In diesem Jahr können erstmalig 16- und 17-Jährige ein Wörtchen mitreden. In den Wahlkreisen werden keine Direktkandidaten gewählt, sondern es wird über die Listenvorschläge der 20 Parteien und sechs Wählergemeinschaften entschieden.
Schon drei Prozent der Stimmen reichen aus, um in die Bezirksverordnetenversammlungen einzuziehen. Gut für Bürgerinitiativen, aber auch für NPD und Republikaner. Die Rep sind in sechs Bezirken aufgestellt, die NPD in fünf - nirgendwo kandidieren sie gegeneinander. In Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg, Neukölln, Treptow-Köpenick und eventuell Mitte, so Wahlforscher, könnte ihnen der Einzug in die Parlamente gelingen.

Ziel: »40 Plus X«
Marzahn-Hellersdorf
ist fest in der Hand der Linkspartei. Mit 31 Sitzen haben die Sozialisten bislang die absolute Mehrheit, in Prozent heißt »40 Plus X« ihr Ziel. Dem Linkspartei-Bürgermeister Uwe Klett will die CDU mit Mario Czaja den Rang ablaufen - allerdings sind dessen Chancen eher gering. Bei den Bundestagswahlen 2005 kam die NPD hier auf 3,2 Prozent.
Die Rechten könnten auch in Treptow-Köpenick punkten - hier hat die NPD-Bundeszentrale ihren Sitz. Die frühere Sozialsenatorin Gabi Schöttler (SPD) will SPD-Bürgermeister Klaus Ulbricht beerben, der aus Altersgründen nicht mehr antritt. Ihr Konkurrent heißt Michael Schneider (Die Linke.PDS), bislang Stadtrat für Umwelt, Grün und Immobilienwirtschaft, der gegen die Zählgemeinschaft zwischen SPD und CDU ins Rennen zieht.
Eigentlich müssten die Lichtenberger mit ihrem Parlament zufrieden sein: Zumindest für den Verein »Mehr Demokratie« gilt der Bezirk wegen seiner Mitbestimmungsrechte als bürgerfreundlichster Berlins. Die Stadträte Andreas Geisel (SPD) und Wilfried Nünthel (CDU) treten gegen Linkspartei-Bürgermeisterin Christina Emmrich an. Noch verfügen die Linken mit 32 von 55 Sitzen über die absolute Mehrheit. Bei deren Verlust könnte mit einer Zählgemeinschaft aus SPD, CDU, FDP und vielleicht den Grünen ein SPD-Bürgermeister kommen.
Spannend wird es in Friedrichshain-Kreuzberg, wo Grünen-Baustadtrat Franz Schulz die Nachfolge von Linkspartei-Bürgermeisterin Cornelia Reinauer antreten will, die per Direktmandat ins Abgeordnetenhaus strebt. Die Linkskandidatin, Sozialstadträtin Kerstin Bauer, wird es schwer haben gegen Schulz, der vor der Bezirksfusion schon einmal Kreuzberger Bürgermeister war. Linke, Grüne und SPD waren etwa gleich stark.
Eine Überraschung könnte es ebenfalls in Mitte geben. Die Kluft zwischen arm und reich ist hier besonders groß, entsprechend heterogen die Wählerschaft: von traditionellen Linkspartei-Hochburgen in den Neubauten Ostberlins zur SPD-Stammwählerschaft in Wedding und Tiergarten oder der der Rep in Wedding. Wenn die SPD mit ihrem Kandidaten Christian Hanke Stimmen gewinnt, könnte der Sitz von CDU-Bürgermeister Joachim Zeller wackeln. Ob Zeller noch einmal mit der Unterstützung von Linkspartei und Grünen rechnen kann, ist fraglich.
Auch der Stuhl von Linkspartei-Bürgermeister Burkhard Kleinert in Pankow steht auf wackligen Füßen. Allerdings hat sich sein Gegner, Baustadtrat Matthias Köhne (SPD), durch sein Vorgehen am Wasserturmplatz unbeliebt gemacht. Die CDU hat sich mit ihrer ablehnenden Haltung zum Moscheebau klar positioniert und könnte überrascht werden.
Die Rütli-Schule verhalf Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) zu trauriger Bekanntheit. Nur mit den Stimmen von Linkspartei und Grünen konnte der SPD-Politiker seinerzeit den Amtssessel besteigen - derzeit besetzt die CDU drei der sechs Stadtratsposten. Ein Wechsel ist unwahrscheinlich, denn das Bündnis will nach der Wahl weiter bestehen. Für die CDU tritt Stefanie Vogelsang an, die hofft, dass die Grünen - das Zünglein an der Waage - die Seite tauschen.

Weder Rep noch NPD
Eine Zählgemeinschaft aus SPD und Grünen verhalf in Charlottenburg-Wilmersdorf Monika Thiemen (SPD) zum Bürgermeister-Posten. Gegen sie steigt für die CDU Vize-Bürgermeister und Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler in die Arena. Die Zweckgemeinschaft Rot-Grün ist nicht besonders fest und könnte bröckeln. Den Parteien könnte zudem das Bürgerbündnis, ein Zusammenschluss aus sieben Bürgerinitiativen, Stimmen wegschnappen. Der Bezirk ist der einzige, in dem weder Rep noch NPD auf dem Wahlzettel stehen.
Unangefochten dominiert mit Bezirksbürgermeisterin Marlies Wanjura (CDU) und drei Stadträten bislang in Reinickendorf die CDU - und das wird wahrscheinlich so bleiben, denn in keinem anderen Bezirk erreichten die Christdemokraten bei der letzten Wahl ein so gutes Ergebnis. Wanjuras Herausforderer heißt Peter Senftleben (SPD).
Auch in Steglitz-Zehlendorf regiert bislang die CDU, allerdings mit nicht mehr ganz so fester Hand. Grabenkämpfe und Profilneurosen prägen den CDU-Ortsverband, der zwei Mal hintereinander ein Direktmandat zum Bundestag vergeigt hat. Ob die FDP nach der Wahl an der Zählgemeinschaft mit der CDU festhält, ist noch nicht klar.
Keine Aufregungen erwartet man in Tempelhof-Schöneberg, wo Stadtrat Dieter Hapel für die CDU gegen SPD-Bürgermeister Ekkehard Band antritt.
Mit 25 Sitzen hält die CDU in Spandau bislang eine knappe Mehrheit vor der SPD mit 22 Sitzen. Doch gegen die Beliebtheit von CDU-Bürgermeister Konrad Birkholz dürfte die SPD-Kandidatin, Jug...

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