Kein Segen für das Rechenzentrum

Gebäude mit Mosaik im Stil des sozialistischen Realismus soll der Garnisonkirche weichen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
»Der Mensch bezwingt den Kosmos« heißt das 1973 geschaffene Kunstwerk von Fritz Eisel am Potsdamer Rechenzentrum. Doch nun bezwingt der Mensch das Mosaik.

Bei der weiteren Ausstattung Potsdams mit den äußeren Attributen preußischer Herrlichkeit schlägt nun allmählich die letzte Stunde für das Rechenzentrum. Wo ein neues Zentrum des Landes für Datenverarbeitung stehen soll, ist zwar noch nicht entschieden. Die Ausschreibung ist der Stadt zufolge noch gar nicht abgeschlossen. Schon bestimmt ist aber der Auszugstermin Ende 2017.

Baufreiheit wird damit für die Wiedererrichtung der Garnisonkirche geschaffen, unabhängig davon, dass die Stiftung Garnisonkirche die für den Wiederaufbau notwendige Summe bisher noch gar nicht komplett zusammen hat. »Die LINKE möchte, dass das Rechenzentrum stehen bleibt«, erklärt die Stadtverordnete Karin Schröter. Es gibt Varianten, den Bau der Garnisonkirche auch ohne Abriss des Rechnenzentrums zu bewerkstelligen.

Die Mitarbeiter des Rechenzentrums in der Dortustraße, Ecke Breite Straße sollen aber bis 2017 ausgezogen sein, damit das Anfang der 1970er Jahre errichtete Gebäude beseitigt werden kann. Einst als Rechenzentrum des Bezirks Potsdam gebaut, hat dieses Haus immerhin auch nach der Wende 25 Jahre lang die Großrechner des Landes beherbergt. Dem Vernehmen nach liefen diese Rechner in Sommermonaten mitunter so heiß, dass das Dach des Flachbaus geflutet werden musste, um für ein wenig Kühlung zu sorgen. Als »sozialistische Armutsarchitektur« geschmäht, wartet der eckige Zweckbau mit einer künstlerischen Einmaligkeit auf: Fritz Eisels Mosaikband »Der Mensch bezwingt den Kosmos.«

Just an diesem Platze stand einst ein christlicher Tempel mit enormer Ausstrahlung in das politische Leben. Es war die barocke Garnisonkirche, in der sich die Preußen des göttlichen Beistands für ihre kriegerischen Unternehmungen versicherten und vor der es 1933 zur Vermählung von Faschisten und preußischen Militaristen kam, symbolisiert durch einen Händedruck zwischen Adolf Hitler und Reichspräsident Paul von Hindenburg. In einer Bombennacht des Zweiten Weltkriegs 1945 ausgebrannt, wurde die Ruine der Garnisonkirche 1968 gesprengt. Jetzt soll eine Kopie errichtet werden.

Schon heute bekommt der Passant eine Ahnung von dem Wandel: Die Attribute des Monarchismus, Adler, Kreuz und Krone stehen eingegittert vor dem Rechenzentrum, als wollten sie verkünden: »Die Sieger der Geschichte sind wir.« Sie stehen hier als Alternative zu dem in Mosaikform gestaltetem Lebensgefühl der frühen DDR: Forschung, Ernte, Beherrschung der Kernenergie, Bildung, Landesverteidigung und Eroberung des Kosmos.

Wie jetzt bekannt wurde, ist offenbar Bestandteil der Pläne, das alte Gebäude des Rechenzentrums noch kurze Zeit zum Hort von Künstlern und vielleicht auch Gründern zu machen, bevor es wegkommt. Für den Umzug der 255 Mitarbeiter in einen Neubau sind 65 Millionen Euro eingeplant. Weil im Grunde klar ist, dass zum festgelegten Auszugstermin ein neues Gebäude nicht bezugsfertig sein wird, müssen die Landesbediensteten zunächst mit Ausweichquartieren in der Steinstraße oder sogar in Containern vorlieb nehmen.

Parallel dazu und fast in Sichtweite fällt auch das Gebäude der Fachhochschule Potsdam, die dann in einen Neubau in der Pappelallee zieht. Im Oktober 2017 soll das neben dem Landtagsschloss befindliche Gebäude der Fachhochschule leer gezogen und zum Abriss bereit sein. Einmal mehr wird ein funktionstüchtiger, äußerlich gezielt vernachlässigter Gebäudekomplex beseitigt, der nicht ins Welt- und Stadtbild begüterter Preußenfans passt.

Zunächst war erwogen worden, die Fachhochschule provisorisch in das Rechenzentrum umziehen zu lassen, um dann schneller »Baufreiheit« neben dem Landtag zu haben. Die Fachhochschule und die LINKE hatten sich gegen diesen Plan gestellt, der für die Bildungsstätte zwei Umzüge innerhalb kurzer Zeit bedeutet hätte.

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