Mit doppeltem Maß

Manch Doping-Verdächtiger radelt weiterhin bei Wettkämpfen mit

  • Tom Mustroph und Christoph Doutè
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.

Einige der im Zusammenhang mit dem spanischen Dopingskandal verdächtigten Radsportler haben sich aus Öffentlichkeit und Rennbetrieb zurückgezogen. Andere wie der Spanier Ruben Plaza wehren sich gegen die Anschuldigungen und starten weiterhin.

Jan Ullrich hat sein Rad in den Keller seines Hauses in Scherzingen (Schweiz) gestellt. Der Italiener Ivan Basso, der im Juli noch mit Meldungen fleißigen Trainings auf sich aufmerksam machte, ist nun im Rahmen seines Verfahrens vor der Disziplinarkommission des italienischen NOK aktiv. Die Großen des Radsports, die nach den Ermittlungen der spanischen Guardia Civil in das Dopingnetzwerk von Eufemiano Fuentes eingebunden waren, pausieren. Sie sind von ihren Teams suspendiert (Basso) oder entlassen (Ullrich) und versuchen sich im temporären Ruhestand. Doch nicht alle des Dopings Verdächtigen sitzen die Operacion Puerto aus. Ungefähr die Hälfte von ihnen steigt weiter aufs Rad. Der Spanier Jesus Hernandez war bis zu seinem Sturz am Dienstag sogar bei der Spanien-Radrundfahrt dabei und mit knapp acht Minuten Rückstand auf den bis dahin führenden Spanier Alejandro Valverde recht ordentlich platziert. Ein anderer mutmaßlicher Doper, David Blanco, entschied im August die Portugal-Rundfahrt für sich. Ruben Plaza, wie Blanco bei Comunidad Valenciana aktiv und laut Operacion Puerto verdächtig, Bluttransfusionen unternommen sowie EPO, Testosteron und Wachstumshormon eingenommen zu haben, gewann am 20. August ausgerechnet den Classico de los Puertos. Das Zusammentreffen von Puerto und Puerto sei reiner Zufall, sagt Plaza im Gespräch mit ND. Den Sieg habe er allerdings mit aller Macht angestrebt. »Uns allen war bewusst, dass dies unser letzter Wettkampf ist. Wir waren hoch motiviert und haben den ganzen Tag hart für den Sieg gearbeitet.« Natürlich hätten sie diesen Sieg sauber errungen, meint Plaza. Der 28jährige, seit 2004 bei Kelme und dann beim Nachfolge-Rennstall Comunidad Valenciana unter Vertrag, sagt deutlich: »Ich habe nie gedopt, zu keinem Zeitpunkt meiner sportlichen Karriere.« Warum er verdächtigt werde, sei ihm unklar. »Ich habe nur eine Kopie eines Dokuments der Guardia Civil gesehen, auf dem unsere Namen mit bestimmten Buchstaben verbunden sind. Die Guardia Civil hat daraus ihre Schlüsse gezogen. Aber sie stimmen nicht.« Bei Dopingkontrollen ist der frühere spanische Zeitfahrmeister bislang nie aufgefallen. Doch ausgerechnet in seinem zweiten Jahr bei Kelme/Comunidad Valenciana erzielte er seine mit Abstand besten Ergebnisse. 2005 wurde er WM-Vierter im Zeitfahren und gewann eine Vuelta-Etappe. Ein Zeitfahren übrigens, gewonnen mit der schnellsten je erzielten Durchschnittsgeschwindigkeit bei einer großen Rundfahrt. Plaza stellte damit sogar Lance Armstrong (USA), der durch das Dopinggeständnis seines früheren Freundes und Teamgefährten Frankie Andreu wieder einmal in Schwierigkeiten gerät, in den Schatten. Plaza ist noch heute empört, dass er und seine Kollegen von Tour de France und Vuelta ausgeschlossen wurden. »Zur Basis wurden die Aufzeichnungen von Eufemiano Fuentes genommen. Doch sind sie vertrauenswürdig? Als ich zu Kelme kam, war er schon gar nicht mehr unser Teamarzt. Er hat das Team manchmal besucht. Aber mein Kontakt zu ihm hat sich auf die Vorstellung und ein paar Worte beschränkt.« Teamärztin war offiziell Fuentes Schwester Yolanda. Gegen sie wird von der Guardia Civil gleichfalls ermittelt. Plaza: »Yolanda hat uns bei Rennen begleitet und bei physischen und psychischen Problemen geholfen. Sie hat die vierteljährlichen Bluttests für den Radsport-Weltverband organisiert, aber nie mit uns über leistungssteigernde Mittel gesprochen.« Die Ermittlungen bei der Operacion Puerto stocken derzeit. Gegen Plaza ist noch kein Verfahren beim spanischen Radsport-Verband eingeleitet. Plaza verweist auf ein Schreiben vom Gericht, das nicht gegen ihn ermittelt werde, und auf eines vom Verband, dass gegen ihn keine Sanktionen verhängt seien. Ist er unschuldig, ein Opfer übereifriger Ermittler? Eugenio Dominguez Gonzales schmunzelt bei dieser Frage. Der Generalsekretär des spanischen Radsport-Verbandes sagte ND: »Die Fahrer haben bei Gericht angefragt, ob gegen sie ermittelt werde. Sie können nach gegenwärtiger Gesetzeslage nicht belangt werden. Und natürlich hat der Verband noch keine Sanktionen gegen sie verhängt; es wird geprüft, ob ein Verfahren gegen sie eröffnet wird. Die Schreiben sind kein Freibrief, dass der Adressat nicht gedopt habe. Sie reflektieren nur den gegenwärtigen Stand.« Jesus Hernandez durfte übrigens bei der Vuelta mitfahren, weil er rückhaltlos vor dem Richter ausgesagt habe und nichts Belastendes gegen ihn vorliege, meint Gonzales. Auch Jan Ullrich dürfte nach gegenwärtiger Rechtslage, wenn er zu einem Team der zweiten Kategorie ginge und nicht an Pro-Tour-Rennen teilne...

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