Senat will Experiment mit Kindern und Sexualstraftätern aufklären

Eine Zeitung hatte berichtet, dass die Jugendverwaltung in den 70er Jahren obdachlose Jugendliche bei Pädophilen untergebracht haben soll

  • Lesedauer: 2 Min.
Es ist ein ungeheuerlicher Verdacht. Hat der Senat wissentlich in Not befindliche Jugendliche in die Hände von pädosexuellen Männern gegeben? Das hat die »Berliner Morgenpost« berichtet.

Politiker der Koalitionsfraktionen von SPD und CDU haben eine umfassende Aufklärung der Vorkommnisse um Jugendliche gefordert, die zu Pädophilen geschickt wurden. »Hier liegen Hinweise auf dem Tisch, die eine ganze Menge Fragen aufwerfen«, sagte Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) der »Berliner Morgenpost«. Sie kündigte eine Aufklärung der Fälle an. »Zum einen ist es nun wichtig, eine angemessene Form zu finden, in der wir zu einer Beantwortung dieser Fragen beitragen können. Zum anderen muss es darum gehen, dass Menschen, die als Kinder oder Jugendliche Opfer sexueller Gewalt geworden sind, mit ihrem Leid nicht alleine dastehen und Unterstützung erhalten«, betonte Scheeres. Am Mittag erklärte die Bildungsverwaltung, sie wolle externen Sachverstand hinzuziehen, um die Vorwürfe aufzuklären. »Die Bildungsverwaltung wird das aufarbeiten.« Aber welche Form dafür am geeignetsten ist, müsse noch geklärt werden, sagte ein Sprecher von Scheeres. Vermutlich werde es ein Forschungsgutachten werden, hieß es am Montag.

Die »Berliner Morgenpost« hatte in Sonntagsausgabe über Verstrickungen der Berliner Landesbehörden in pädophile Netzwerke berichtet. Mindestens drei junge Obdachlose wurden demnach in den 70er Jahren mit Wissen der Senatsjugendverwaltung als Pflegekinder in die Obhut zu verurteilten und bekannten Sexualstraftätern gegeben.

Auch die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus forderte Konsequenzen. »Es ist unfassbar, dass staatliche Stellen Missbrauch mindestens begünstigt haben«, sagte der jugendpolitische Sprecher der Fraktion, Roman Simon. Der Senat müsse schnell Ansprechpartner benennen, an die sich Betroffene wenden können. »Wir können das Leid nicht ungeschehen machen, darum ist es umso notwendiger zu versuchen, die Folgeschäden durch einen Hilfsfonds wenigstens abzumildern«, sagte Simon. Die Jugendverwaltung sagte eine entsprechende Unterstützung zu.

Die »Berliner Morgenpost« beruft sich auf ein 1988 im Auftrag des Senates erstelltes Gutachten zur Eignung Homosexueller als Pflegeeltern. Darin berichtet der Sexualwissenschaftler Helmut Kentler davon, wie er die Senatsverwaltung davon überzeugte, Pflegestellen bei pädophilen Männern einzurichten. »Es gelang mir, die zuständige Senatsbeamtin dafür zu gewinnen«, heißt es in dem 156 Seiten umfassenden Gutachten des damaligen Hochschullehrers der Universität Hannover. »So kam es, dass bei den drei Hausmeistern regelrechte Pflegestellen eingerichtet wurden, und ich fand rasch drei Jungen, die bereit waren, hier einzuziehen. Sie waren zwischen 15 und 17 Jahre alt.« Dass es dabei zu sexuellen Übergriffen der Männer auf die Pflegekinder kam, war offenbar sogar das Ziel des Experiments, berichtet das Blatt. Agenturen/nd

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