Die skandalisierte Kritik, die ein Bekenntnis zur NSA ist

  • Roberto de Lapuente
  • Lesedauer: 4 Min.
Die fußballbegeisterten Deutschen können sich nun mit der NSA versöhnen, denn sie hat an der Verhaftung der FIFA-Funktionäre mitgewirkt. Jedenfalls sieht der Springer-Primus das so. Das ist nur einer von vielen Persilscheinen der Bild-Zeitung für die NSA.

Vor einigen Tagen hat die Bildzeitung mal wieder klargestellt, dass die NSA ja doch nicht ganz so mies sei. Immerhin habe sie nach Ansicht der Zeitung angeblich dafür gesorgt, dass der FIFA-Sumpf jetzt trockengelegt würde. Denn den Vereinigten Staaten stünden starke Mittel zur Verfügung – und jeder Staatsanwalt könne die Hilfe des Geheimdienstes anfordern, wenn er es für nötig hält. Beweise für diese These liefert die Bild jedoch nicht.

Die Europäer können da mit ihrem Datenschutzgeplänkel nicht mithalten. Sie seien daher nicht mal fähig, Korruptionsfälle innerhalb von Verbänden in den Griff zu bekommen. Die Amerikaner sind Macher, liest man heraus. Sie kümmern sich nicht darum, ob gewisse Eingriffe angemessen oder etwa ethisch vertretbar sind – sie machen einfach und die dummen Europäer stehen phlegmatisch daneben und sehen zu.

Das mag vielleicht nur aktuelle Höhepunkt dieser politischen Leitlinie innerhalb des Axel-Springer-Verlages sein. Immer wieder liest man in der Bild-Statements, die den US-Geheimdienst loben und für eine unbedingt richtige Einrichtung halten. Man erklärt den Lesern, wie wichtig die Arbeit des Geheimdienstes letztlich sei.

Da dürfe man bei einigen »Ausreißern« seitens der Agenten, nicht gleich den Kopf verlieren und die NSA in die Wüste schicken wollen. Fast jede Regung von Edward Snowden replizierten die Meinungsmacher des Boulevardblattes mit einem Kommentar, der erklärte, vor wie vielen terroristischen Anschlägen uns dieser Geheimdienst schon bewahrt hat. Genau aus diesem Grund sehen sie Snowden als gefährliches Subjekt an. Bürgerrechte sollten gewissermaßen hinter Sicherheitspolitik stehen.

Die »Bild« macht das eigentlich ganz raffiniert. Sie stellt sich nicht hin und fängt ohne Unterlass an Lobeshymnen anzustimmen. Sie gibt sich als Stimme des konstruktiven Kritikers. Natürlich skandalisiert sie auch die immer neuen Entdeckungen, die man über die Arbeitsweise von Geheimdiensten so in Erfahrung bringt.

Wahrscheinlich nimmt man in der Redaktion an, dass man als reines Belobigungsformat einen letzten Rest an Glaubwürdigkeit verspielen würde, den man ohnehin nicht mehr hat. Man muss der eigenen Leserschaft ja auch das Gefühl geben, auf ihrer Seite zu stehen und deren Empörung zu verstehen. Und so greift man Fakten auf, macht einen Skandal daraus, schreibt »Hast du nicht gesehen!« und »Was erlauben die sich?« und so kann man als kritisches Medium beim eigenen Publikum durchgehen.

Und wenn jemand doch an sich kritisch ist, so muss man seine Worte der Besonnenheit ja gleich umso ernster nehmen. Denn wenn ein Kritiker darlegt, dass ja nicht alles ganz schlecht sei, was so ein Geheimdienst treibt, dann ist das gleich eine ganz andere Nummer. Jemand, der ohnehin immer meint, dass Geheimdienste eine tolle James-Bond-Sache seien, etwas Großartiges und Segensreiches, dem nimmt man besonnene Worte zur NSA ja auch nicht mehr ab. Durch das skandalisierte Kritisieren, das die Agenda durchzieht, unterstreicht die Bildzeitung ihren affirmativen Charakter bezüglich Geheimdienstpolitik der westlichen Staaten. Sie stänkert in dem Maße herum, um am Ende als »ehrlicher Makler« für die Sache der NSA oder des BND durchgehen zu können.

Man hat in diesem Land ja auch rhetorisch ganz oft »nichts gegen Türken, aber ...« - und das ist gewissermaßen das selbe Prinzip. Nur publizistisch aufgewertet und auf ein anderen Themengebiet verlagert. Indem man zunächst die gegenteilige Position vertritt, die man eigentlich vertreten möchte, um dann bedachtsam aber doch Aspekte der anderen Seite anzuerkennen, macht man sich zu einem »seriösen Diskutanten«, dem man seine innerliche Zerrissenheit schon abnehmen kann. Die Linke ist es in all der Zeit falsch angegangen. Sie hätte über Jahre sozialistische Ideen verurteilen müssen. »Der Sozialismus ist scheiße, aber ...«, hätte sie erklären müssen. Vielleicht würde man sie dann heute ernster nehmen.

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