Ausländerfreundlich ohne Ausländer

15 Jahre nach dem Pogrom: Das sächsische Hoyerswerda arbeitet an seinem Image

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Im September 1991 verjagte ein rassistischer Mob, unterstützt von Anwohnern, Ausländer aus Hoyerswerda. Jetzt will die Stadt zeigen, dass sich die Verhältnisse gebessert haben.

Anfangs war es nur ein Dutzend Vermummter, die am 17. September 1991 vietnamesische Händler auf dem Wochenmarkt von Hoyerswerda anpöbelten. Binnen kurzem aber waren die Ausschreitungen eskaliert. Zu Hunderten bedrängten Rechtsextreme, die teils von weither angereist waren und von einem zahlreichen Publikum angefeuert wurden, Unterkünfte für Vertragsarbeiter und ein Asylbewerberheim in der ostsächsischen Stadt. Steine und Molotowcocktails flogen in Plattenbauten; es gab Verletzte. Die Polizei bekam den Mob über Tage kaum in den Griff. Nach zwei Wochen Ausnahmezustand hatte der rassistische Aufruhr sein Ziel erreicht: Die Landesregierung ließ alle Ausländer aus Hoyerswerda evakuieren.
Für Hoyerswerda bleiben die Ereignisse ein schwarzer Fleck in der Stadtgeschichte. Der Name der Stadt wurde wie der von Rostock-Lichtenhagen, wo sich die Ereignisse 1992 in ähnlicher Form wiederholten, zur Chiffre für einen wieder auflebenden Nationalismus im Gefolge der deutschen Vereinigung, der sich in Übergriffen gegen Ausländer entlud. »Ausländerfrei« wurde 1991 zum »Unwort des Jahres«. Die von der Bevölkerung unterstützten Ausschreitungen in Ostdeutschland, aber auch Brandanschläge in Mölln und Solingen mündeten 1993 in einer drastischen Verschärfung der Asylgesetzgebung.

Schweigendes Gedenken
Auch wenn Hoyerswerda kein Einzelfall war, ist der Imageschaden weiter spürbar, sagt Horst-Dieter Brähmig (Linkspartei), der scheidende Rathauschef. Anlässlich des 15. Jahrestages will die Stadt deshalb beweisen, dass sie aus den Vorfällen gelernt hat. Ab heute gibt es Ausstellungen, Film- und Theateraufführungen sowie Diskussionsforen. Abgeschlossen wird das Bemühen der Stadt mit einem schweigenden Gedenken am Samstag. Die Aktivitäten gehen meist von örtliche Vereinen aus.
Wenn es um Konsequenzen aus den Ereignissen von 1991 geht, halten sich die Bürger auch bleibende private Kontakte zu ehemaligen Vertragsarbeitern aus der Stadt zugute. Brähmig spricht über regelmäßige Besuche, der 1995 gegründete Verein »Projektarbeit Mosambik« hat eine Schule in dem afrikanischen Land eingerichtet.
Kritiker merken indes an, dass die Stadt ausländerfreundlich sein wolle, ohne in nennenswerter Zahl Nichtdeutsche zu beherbergen. Auf 420 wird deren Zahl beziffert - bei einer Einwohnerzahl, die trotz dramatischen Wegzugs bei 42 000 liegt. Die »Ausländerquote« von einem Prozent unterbietet noch den ohnehin niedrigen sächsischen Durchschnitt. Ein Flüchtlingsheim wurde in Hoyerswerda bis heute nicht wieder eingerichtet.

»Geistige Vettern« der Täter von 1991
Bestrebungen der Bürgerschaft, dem schlechten Ruf entgegenzuarbeiten, konterkariert auch die aktive rechte Szene. Kürzlich wurden ein NPD-Kreisverband und ein Stützpunkt der NPD-Nachwuchstruppe JN gegründet, in dem auch Aktivisten der militanten Szene, so vom »Lausitzer Aktionsbündnis«, arbeiten. Seit Anfang 2006 gab es drei Nazi-Aufmärsche in der Stadt, ein weiterer ist am Wochenende geplant. Zudem wollen sich die Rechtsextremen bei den Erinnerungsveranstaltungen »einmischen«. Kerstin Köditz von der Linksfraktion im Sächsischen Landtag spricht von »geistigen Vettern« der Täter von 1991 und fordert, den Aufmarsch zu unterbinden. Die Antifa-Szene mobilisiert zu einer Demonstration »gegen rechte Strukturen und das kollektive Verdrängen«. Ausschreitungen wie in Hoyerswerda hat es in Sachsen zuletzt nicht mehr gegeben. Statt dessen können NPD-Abgeordnete am Rednerpult des Landtags verlangen, Kindergeld und andere Sozialleistungen nur an Deutsche zu zahlen. Zugleich plädiert CDU-Innenminister Albrecht Buttolo für eine rigide Handhabung des Bleiberechts für Migranten. Der Ausländeranteil bleibt vor allem in den ländlichen Regionen äußerst gering. Und Initiativen, die Opfer rassistischer Gewalt unterstützen oder Kommunen beim Aufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen beraten, stehen wegen auslaufender Bundesprogramme ab Mitt...

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