Landnahme der besonderen Art

Ein Stück Potsdamer Park ist zum besetzten Gebiet geworden

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Schlösserstiftung und Springerchef Matthias Döpfner haben eine Grünanlage der Öffentlichkeit entzogen.

Die große Berliner Mauer ist vor 25 Jahren gefallen, aber viele kleine Mauern erheben sich seither. Ein solches Schicksal erleidet gerade einmal wieder das von den Reichen und Schönen so geliebte Potsdam, wo die Tortenstückchen im Glanze des Weltkulturerbes rund um Schloss und Park Sanssouci eine heiß begehrte Sache sind.

Auf Uferwegen am Griebnitzsee patrouillierten früher DDR-Grenzsoldaten, um Westberlin abzuschirmen. Nach der Wende tummelten sich dort Spaziergänger, bis Anwohner den Weg sperrten. Das ist in Potsdam in guter oder vielmehr böser Erinnerung. Nun ist ein weiteres Stück Potsdam durch einen Privatmann eingezäunt. Wieder geht so ein Schauspiel über die Bühne der Stadtpolitik.

Im Zentrum, unmittelbar neben dem Deserteursdenkmal, finden sich ein paar Quadratmeter Potsdamer Heimaterde, die durch massive Bauzäune von der Umgebung abgetrennt sind. Die linksalternative Fraktion »Die Andere« will mit dieser Aktionskunst darauf aufmerksam machen, was sich derzeit auf 60 000 Quadratmetern neben dem berühmten Potsdamer Pfingstberg abspielt. Auf dem erklärenden Schild heißt es, diese Fläche sei »eingedöpfnert« worden und nach dem Pfingstberg-Vorbild abgesperrt. »Die Andere« habe beschlossen, so heißt es, die öffentliche Fläche am Denkmal zu sanieren und fordere im Gegenzug ein 40-jähriges exklusives Nutzungsrecht. Gelegentlich werde das Areal dann auch für die Öffentlichkeit betretbar sein.

Diese Parodie hat einen ernsten Hintergrund: Vor einiger Zeit verkaufte die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten eine große Villa in schönster Lage mit riesigem Garten an den Privatmann Mathias Döpfner, beruflich tätig als Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG. Döpfner verpflichtete sich, alles denkmalgerecht instand zu setzen, und gleich noch die danebenliegende Villa Schlieffen mitzusanieren. Um klare Verhältnisse zu schaffen, wurde erst einmal alles eingezäunt. Eine Fläche, die im städtischen Bebauungsplan als öffentliche Grünanlage ausgewiesen ist, wurde dem Zugang entzogen.

Die Stadt und zunächst alle Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung (SVV) waren sich einig: Der Bebauungsplan ist die gesetzliche Grundlage, denn die Schlösserstiftung habe gegenüber dem Käufer Zusagen über Dinge gemacht, die ihr gar nicht zustehen. Ein Ausgleich wurde in andauernden Verhandlungen nicht gefunden, der Zaun blieb dennoch stehen, nun als »Baustellensicherung« deklariert. Die LINKE beantragte einen SVV-Beschluss, wonach die öffentliche Zugänglichkeit der Parkanlagen dauerhaft gesichert bleiben solle. Der Antrag wurde in den Hauptausschuss verwiesen.

Es gibt wenige Institutionen, die so üppig mit Geld ausgestattet sind wie die Schlösserstiftung. Dennoch musste Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) die SVV darüber informieren, dass die Stiftung sich nicht in der Lage sehe, die öffentliche Parkanlage so instand zu setzen, dass sie zugänglich gemacht werden kann. Jakobs regte an, dass die Stadt die Verkehrssicherungspflicht übernimmt. Langfristig könnte die Stadt die Fläche in ihr Eigentum übernehmen und »denkmalpflegerisch entwickeln.« Die LINKE stellten sich hinter diese Pläne und Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg beantragte, einen Weg zu finden, dass diese Fläche kostenlos an die Stadt übertragen wird.

Nun aber geschah das Unglaubliche. Die Einzäuner waren nicht untätig und setzten ihre Interessenwahrer in der Politik in Gang. Der Oberbürgermeister war bei der jüngsten SVV-Sitzung abwesend und die Mäuse tanzten auf dem Tisch. Nach heftiger und tumultartiger Debatte votierte die Rathauskoalition aus SPD, CDU und Grüne in namentlicher Abstimmung gegen die strikte Anwendung des Bebauungsplans und strich die Passage, dass es keine Änderung des Plans geben dürfe.

»Ein unwürdiges Spiel«, nannte Scharfenberg das Spektakel. Und eine »Machtdemonstration ohne Verantwortung«. Mit dieser Aktion haben die regierenden Parteien das öffentliche Recht geschwächt. Immerhin erklärte der Oberbürgermeister einen Tag später, dass mit ihm eine Änderung des Bebauungsplans nicht zu machen sei. Auf die nächsten Winkelzüge der Zaunbefürworter darf man gespannt sein. Scharfenberg findet: »Gerade in Potsdam muss man sehr darauf achten, dass nicht alles käuflich wird.«

Scharfenbergs Fraktionskollege Sascha Krämer betont: »Was öffentlich ist, muss öffentlich bleiben, denn die Stadt gehört uns allen. Die LINKE hält am B-Plan fest ohne Wenn und Aber.«

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