Der Ketzer

  • Ingolf Bossenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer Jan Hus versteht, kommt zu dem Urteil: Die römische Kirche selbst ist falsch.« Ein Satz von Eugen Drewermann aus seinem neuesten Buch »Jan Hus im Feuer Gottes«*. Und der in Paderborn lebende Ketzer versteht den in Konstanz hingerichteten Ketzer - womit auch sein Urteil über die römische Kirche klar ist.

Drewermann, der am 20. Juni 1940 in der Ruhrgebietsstadt Bergkamen geboren wurde, war jahrzehntelang ein widerhakiger Pfahl im Leib Christi, dem mystischen Körper der katholischen Kirche. Vor zehn Jahren erst, exakt an seinem 65. Geburtstag, erklärte der Theologe, Psychoanalytiker und Schriftsteller öffentlich den Austritt aus dem papistischen Religionskonzern. »Meine Hoffnung war lange Zeit«, bekannte er kürzlich im »nd«-Interview, »möglichst von innen her dies und das in der Kirche zugunsten ihrer selbst zu reformieren.« Eine Hoffnung, die viele Menschen - nicht nur innerhalb der Kirche - mit ihm teilten.

Es war stets viel Volk, das da zusammenlief und sich in Sälen und auf Plätzen drängte, wenn Drewermann mit seiner leisen, weichen Stimme die gute Botschaft von einer menschlichen, mitleidsvollen und dogmenlosen Kirche verkündete. Von einem Gott, der nicht kleinmütig mit Strafe und Schrecken herrscht, sondern großherzig für Verzeihen und Vergeben steht. Diskussionsveranstaltungen, Talkshows und vor allem seine Bücher - fast durchweg Bestseller - formten ihn zum Popstar, dessen Fans bisweilen sogar von der Berührung seines unvermeidlichen Pullovers spirituellen Schub erhofften.

Dass theologisches Grau in solch populäre Buntheit ausuferte, ließ die Kirchenoberen nach den Instrumenten greifen. Diese bedrohten zwar nicht mehr wie zu Zeiten von Jan Hus Leib und Leben, konnten aber durchaus existenzielle Folgen für die Zielperson zeitigen. Denn einen »neuen Luther«, wie eines der Medienetiketten für Drewermann betitelt war, wollte man beizeiten von der Kanzel kippen. 1991/92 wurde er ab-gekanzelt: mit Entzug von Lehr- und Predigtbefugnis sowie Suspension vom Priesteramt.

Wie einst dem aufmüpfigen Mönch aus dem Mansfeldischen (der gleichfalls aus einer Bergmannsfamilie stammte) ging es Drewermann um den Umgang mit der Bibel. Sein Vorwurf: Deren Lektüre unter dogmatischer Verwaltung führt an der Eigenart der Texte vorbei. Das kirchliche Dogma nehme aus bildlichen Aussagen, die im Menschen selbst ihre Begründung haben, die psychologisch fundiert und religionsgeschichtlich vorgeprägt sind, Mitteilungen Gottes. Dieser Anmaßung setzt er in seinen Büchern eine psychoanalytische Sicht entgegen, die den Menschen die Angst nehmen soll - die Angst vor Gott und der Welt. Ein Weg, den Drewermann mit Erfolg auch als Therapeut verfolgte.

Der Tierrechtler und Vegetarier schrieb zudem »Über die Unsterblichkeit der Tiere«. Eine Empfehlung für Papst Franziskus und seine nächste Enzyklika.

* Eugen Drewermann im Gespräch mit Jürgen Hoeren: Jan Hus im Feuer Gottes. Impulse eines unbeugsamen Reformators. Patmos Verlag. 256 S., geb., 25 €.

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