Busse und Bahnen im Stundentakt?

Gewerkschaft ver.di und BVG sorgen sich um Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Weil der Bund seine Zuschüsse kappen will, könnte auch in Berlin bald der öffentliche Nahverkehr nur noch eingeschränkt funktionieren.

Fahren Busse und Bahnen demnächst werktags nur noch zwischen sechs und 20 Uhr durch die Stadt und am Wochenende sogar nur einmal in der Stunde? Diese Horrorvision hatten ver.di-Mtglieder auf ihr Transparent gemalt, mit dem sie am Dienstag bei einem bundesweiten Aktionstag auch auf den U-Bahnhöfen Alexanderplatz und Weinmeisterstraße um Unterschriften für eine auskömmliche Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs warben.

Die ist nach Ansicht von ver.di wie auch der BVG gefährdet, wenn die dafür vorgesehenen Bundesmittel nach 2019 ersatzlos auslaufen. Dabei handelt es sich um Mittel aus dem sogenannten Gemeindefinanzierungsgesetz, die der Bund den Ländern zur Verfügung stellt, die sie an die kommunalen Nahverkehrsbetriebe weiterreichen. Jährlich seien das etwa 1,33 Milliarden Euro, die die Betriebe vor allem in Erhalt und Ausbau der Infrastruktur stecken, so Christine Behle vom ver.di-Bundesvorstand.

BVG-Chefin Sigrid Nikutta deutete schon mal an, was es bedeuten würde, wenn diese Gelder ausblieben. »Wir investieren im Schnitt jährlich etwa 250 Millionen Euro in unsere Infrastruktur. In den nächsten Jahren brauchen wir aber etwa 400 Millionen Euro, denn unsere Tunnel und Bahnhöfe werden ja nicht jünger, der Aufwand für ihren Unterhalt wächst. Allein können wir das nicht stemmen.« Auch die Fahrzeugflotte ist nicht mehr die jüngste, vor allem hält sie mit der wachsenden Fahrgastzahl nicht Schritt.

In der Sanierungsliste der BVG steht der U-Bahnhof Weinmeisterstraße ganz oben. 1930 erbaut, macht er auf den ersten Blick »gar keinen so üblen Eindruck«, wie Nikutta findet. Aber an manchen Stellen fallen Fliesen ab, es gibt Wasserschäden, Eisenträger rosten. Einen Fahrstuhl sucht man hier vergebens. Allein dessen Einbau schlägt mit 1,2 Millionen Euro zu Buche, die Sanierung der Fliesen mit zwei Millionen und der Stützen mit 1,25 Millionen. Alles in allem würde die Sanierung 8,6 Millionen Euro kosten, »wenn nicht noch versteckte Schäden entdeckt werden«, so Nikutta. Aber schon dies sei eine »unglaubliche Summe für einen Bahnhof«. Die Sanierung soll laut BVG-Bauchef Uwe Kutscher in etwa zwei Jahren starten. Deshalb brauche man jetzt Gewissheit über die Finanzierung. »Die Baufirmen müssen jetzt beauftragt werden.«

Das Sanierungsprogramm des Unternehmens ist beachtlich. Die Hälfte ihrer 173 Bahnhöfe sind vor 1930 errichtet worden, davon müssen noch etwa 30 saniert werden. Derzeit laufen die Arbeiten an der Bismarckstraße, als nächstes steht die Sanierung der Stationen Schönleinstraße, Gneisenaustraße und Kaiserdamm an. Bis 2030 wollte die BVG eigentlich alle Bahnhöfe durchsaniert haben. Ob das zu schaffen ist, hängt von der Entscheidung des Bundes ab. »Wenn die Gelder nicht mehr so fließen, schaffen wir vielleicht nur noch einen Bahnhof im Jahr statt jetzt drei oder vier«, sagt Kutscher. Auch er ist sich sicher, dass das Land die Lücke nicht ausgleichen kann. Das hat immerhin schon mal 58 Millionen Euro zusätzlich spendiert aus dem Sondervermögen »Infrastruktur der wachsenden Stadt«, wofür die BVG elf neue U-Bahn-Züge kaufen kann, um den Fahrgastansturm zu bewältigen.

An der Opposition im Bundestag wird die Finanzierung des Nahverkehrs sicher nicht scheitern. Die Vorsitzende des Bundestagshaushaltsausschusses, Gesine Lötzsch (LINKE), will jedenfalls »auch die Mehrheitsfraktionen davon überzeugen, dass der öffentliche Nahverkehr zur Daseinsvorsorge gehört und seine Finanzierung Priorität haben müsse«, wie sie BVG und ver.di versprach.

Ver.di fordert jedoch nicht nur eine Fortschreibung, sondern eine Aufstockung der Mittel. »Weil die Gelder schon jetzt nicht ausreichen, ist bundesweit ein Investitionsstau von vier Milliarden Euro aufgelaufen. Wenn man nichts tut, wächst er jährlich um 330 Millionen Euro«, sagte Behle.

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