Praktikum ohne Deutschkenntnisse

Hürden für die Ausbildung von Asylbewerbern sollen gesenkt werden

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenn sich ein junger Flüchtling um eine Ausbildung bemüht, fällt im Arbeitsagenturbezirk Potsdam die Prüfung weg, ob ein Deutscher den Ausbildungsplatz haben möchte.

Für hoch motivierte Asylbewerber soll in Brandenburg der Zugang zu einer Berufsqualifizierung weiter erleichtert werden. Wenn sich einer der 3000 jungen Flüchtlinge um eine Einstiegsqualifizierung bemüht, ist künftig kein Vorrang deutscher oder EU-Bürger mehr zu prüfen.

Wie Sozialstaatssekretärin Almuth Hartwig-Tiedt am Donnerstag im Gebäude der Arbeitsagentur Potsdam sagte, war diese Prüfung bislang eine ernste Hürde. Wenn Unternehmen dazu bereit sind, können sich junge Flüchtlinge künftig bis zu einem Jahr in einem Betriebspraktikum ausprobieren und erste Berufskenntnisse erwerben. »Im besten Fall schließt sich eine reguläre Ausbildung an.« Hartwig-Tiedt betonte, dass es beim Einstieg keine Prüfung deutscher Sprachkenntnisse als Voraussetzung gibt. Die Fähigkeit, für sich selbst beruflich und finanziell aufzukommen, stelle ein wichtiges Element der äußeren Akzeptanz und der Integration dar, sagte sie.

Nötig ist dieser Schritt auch deshalb, weil sich die Ausländerarbeitslosigkeit im Arbeitsagenturbezirk Potsdam im Gegensatz zur sonstigen Arbeitslosigkeit um 16 Prozent erhöht hat, sagte Agenturleiterin Ramona Schröder. Bei einem Besuch in einem Flüchtlingswohnheim habe sie erlebt, dass zahlreiche junge Menschen voller Tatendrang darauf warten, hier in Deutschland eine Ausbildung beginnen zu können. Weil deutsche Jugendliche in erster Linie Abitur machen und auf ein Studium zusteuern, kommen inzwischen nur drei Bewerber auf vier klassische Berufsausbildungsplätze.

»Wir haben einen Bewerbermangel in allen Berufen«, sagte Schröder. Daher könne die Einstiegsqualifizierung eine »wichtige und unkonventionelle Option für die jungen Ausländer sein, um einen Fuß in die Tür der deutschen Arbeitswelt zu bekommen.« Unternehmer, die diese Gelegenheit nutzen wollen, können sich um Zuschüsse und um Beihilfen für die Sozialversicherungsbeiträge ihrer ausländischen Praktikanten bewerben. Auch für begleitende Deutschkurse stehen Gelder der Arbeitsagentur bereit. »Wir beginnen mit der Beratung im Wohnheim.« Für die Einstiegsqualifizierung müsse kein Mindestlohn von 8,50 Euro gezahlt werden, bestätigte Schröder. Missbrauch und unverschämte Ausbeutung erwartet sie dennoch nicht.

In den vergangenen Wochen »hat man uns vorgeworfen, dass wir viel reden, aber nichts passiert«, sagte die Staatssekretärin. Sie fügte hinzu, man betrete »Neuland«, die Erlaubnis der Ausländerbehörde müsse nach wie vor eingeholt werden. Am 1. Oktober beginne das Qualifizierungsjahr. Die Handwerkskammer, die Industrie- und Handelskammer sowie die Stadt Potsdam, sollen in den kommenden Tagen »an einen Tisch« geladen werden, um die nächsten Schritte abzusprechen. Hartwig-Tiedt räumte ein, dass viele Probleme zu lösen sind. Unter anderem schütze weder ein solches Praktikum noch eine reguläre Berufsausbildung vor Abschiebung. Unternehmer müssen das im Hinterkopf behalten.

Im gesamten Land Brandenburg waren im Juli 5286 Ausländer arbeitslos gemeldet. Das waren 12,2 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Die allgemeine Arbeitslosenrate im Agenturbezirk Potsdam beträgt inzwischen wenig mehr als fünf Prozent. Auf dem Höhepunkt lag sie bei rund zwölf Prozent. Auf die Frage, was mit der Arbeitsagentur Potsdam geschehen würde, falls Vollbeschäftigung erreicht wird, sagte Schröder: »Dann werden wir abgewickelt.«

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