Immer mehr Friedfisch am Haken

Im Land Brandenburg wächst die Zahl der Angler / In der Berufsfischerei sinken die Erträge

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Immer mehr Brandenburger wenden sich, so scheint es, von den Weltproblemen ab und dem Angelsport zu, die Vereine melden Zulauf. Den Petrijüngern kommt die Seenpolitik des Landes entgegen.

Fritze Bollmann, der Angler, ist nicht das Maskottchen für das ganze Land Brandenburg, aber doch immerhin für die Stadt Brandenburg/Havel, auf deren Beetzsee er einem populären Lied zufolge einst »versuff«. Bollmann blieb nicht allein mit der Vorliebe für das Angeln, er fand Jünger - Petrijünger. Aktuell zählt der Landesanglerverband (LAVB) 78 628 Mitglieder, das sind 1972 mehr als im vergangenen Jahr (76 566). Das Agrarministerium in Potsdam geht von weiteren rund 57 000 nicht organisierten Anglern aus.

»Für uns ist das Angeln ein Stück letztes Abenteuer der Zivilisation. In unserer hektischen Zeit sehnen sich die Menschen wieder nach Ruhe und Rückzugsorten«, kommentiert der Verband diese Entwicklung. Er wies die Annahme zurück, dass es sich dabei um einen Altmännersport handeln würde, und wenn es mehr Rentner gebe, dann eben auch mehr Angler. In seinem Landesverband mit insgesamt rund 1400 Anglervereinen seien 7 853 Kinder und Jugendliche als Mitglieder registriert.

Als Gründe für das zahlenmäßige Anwachsen der Rutengänger nannte er die höhere Attraktivität des Sports durch die Austausch-Angelberechtigungen, die mit anderen Bundesländern vereinbart worden sei, sowie die Genehmigung, in Brandenburg den Friedfischen ohne Fischereischein nachzustellen. Wie der Landtag 2006 beschlossen hatte, gilt das für Angler, die sich auf Friedfische beschränken. Sie müssen aber eine Fischereiabgabe zahlen und eine Angelkarte für das jeweilige Gewässer kaufen. Hinzu kommt noch die prinzipielle Berechtigung, in den dünn besiedelten Landesteilen am Ufer »wild« zu campen, das heißt, die Nächte in Wassernähe zu verbringen. Unter anderem wegen der großen Beliebtheit des Angelsports hat die Landesregierung auf Landeskosten Seen vor der Privatisierung bewahrt und den Kommunen zur Verfügung gestellt.

Inzwischen sind Wanderfischarten wie Lachs, Stör und Meeresforelle in märkischen Flüssen wieder heimisch. Konkurrenz bekommt da der Angler durch das vermehrte Auftreten von Kormoranen und Bibern. Hier schließen sich die organisierten Angler den Fischern und Bauern an und fordern wirkungsvolle Gegenmaßnahmen.

Der Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Brandenburg, Axel Kruschat, hält dagegen. »Die Fokussierung auf eine bestimmte Tierart bringt gar nichts«, sagt er. Die Probleme in Brandenburgs Seen entstünden in erster Linie durch den Menschen, etwa durch die in der Landwirtschaft angewendeten Pestizide. Von einer Lockerung des Kormoran-Schutzes hält der Umweltverband nichts.

Die Zahl der ermittelten Verstöße gegen das Fischereirecht ist nicht unbedeutend, sie schwankte in der Vergangenheit zwischen 1400 und 1600 pro Jahr. Ein Viertel davon sind keine Ordnungswidrigkeiten mehr sondern Straftaten. Die jährlichen Einnahmen aus der Fischereiabgabe für das Land sind ebenfalls stark schwankend, sie können 700 000 betragen oder auch zwei Millionen. Dies ist dadurch zu erklären, dass der Fischereischein in einem Fünf-Jahres-Rhythmus erworben werden muss.

Von den 100 700 Hektar Gesamtwasserfläche Brandenburgs gelten rund 73 000 Hektar befischt. Auf die Erwerbsfischerei entfallen 56 350 Hektar, die übrigen Flächen auf Angelvereine und -verbände.

Nach der Jahrtausendwende musste die brandenburgische Fischindustrie erhebliche Einbußen hinnehmen. Nur die Angler holen immer mehr Fisch aus den Gewässern. Berufsmäßig wurden 2008 rund 1 880 Tonnen Fisch »geerntet«, das waren zwölf Prozent weniger als im Jahr zuvor. Zu den Haupterzeugerregion für Karpfen zählt in Deutschland beispielsweise neben Bayern und Sachsen auch die Lausitzer Teichlandschaft. Insgesamt stagniert in der deutschen Teichlandschaft seit 15 Jahren die Fischerzeugung. Hauptursache dafür ist zum einen, dass die Nachfrage nicht zunimmt. Zum anderen kommen zunehmend billige Exporte aus Osteuropa in den Großhandel. Nachteilig wirken sich gestiegene Kosten für Futter und Energie aus.

In Brandenburg gibt es 35 Betriebe, die im Schnitt 150 Hektar Teichfläche im Haupterwerb bewirtschaften. 16 Unternehmen im Haupterwerb und drei im Nebenerwerb widmen sich im Bundesland der Forellenaufzucht. Zwischen 1990 und 2008 war das »Forellenaufkommen« des Landes von 1150 Tonnen auf 600 Tonnen gesunken. In der gleichen Zeit sank die Menge des gefangenen Aals von 500 Tonnen auf 112 Tonnen.

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