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Einseitiger Warenverkehr

In Deutschland sind vor allem Landwirte sowie Maschinen- und Autobauer von den Sanktionen betroffen

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.
Aus Russland strömt das Erdgas trotz der Ukraine-Krise ungebrochen. Doch deutsche Waren finden an der Wolga kaum noch Absatz.

Auf zwischen zwei bis vier Cent pro Kilogramm schätzt der Deutsche Bauernverband (DBV) den Effekt des russischen Embargos auf den Milchpreis. Angesichts der dramatisch niedrigen Erlöse, die allein in den vergangenen zwölf Monaten um etwa zehn Cent gesunken sind, dürfte dies so manchen Bauer in existenzielle Schwierigkeiten bringen. Der DBV erwarte »politische Initiativen zur Aufhebung der Sanktionen«, teilte der Verband am Donnerstag mit. »Die Bundesregierung und die EU sollten sich um eine politische Annäherung bemühen.«

Ein Jahr nun sind die wechselseitigen Handelsembargos zwischen Russland und der EU alt. Am 6. August 2014 verhängte Moskau ein Importverbot für Lebensmittel und andere Waren aus der Europäischen Union. Rund eine Woche zuvor hatte Brüssel gegenüber Russland die Daumenschrauben angezogen. Es verhängte ein Waffenembargo sowie ein Ausfuhrverbot sogenannter Dual-Use-Güter. Dies sind Güter, die sowohl zivil als auch militärisch eingesetzt werden können. Außerdem wurde russischen Banken der Zugang zu den westlichen Kapitalmärkten erheblich erschwert.

Doch der große Wirtschaftskrach, den manch ein linker Ökonom damals vorhergesagt hatte, blieb in Deutschland aus. Vor allem musste vergangenen Winter niemand frieren. Die größte Angst bestand nämlich darin, dass Russland seine Gasexporte hätte drosseln können. 38 Prozent des hierzulande verbrauchten Erdgases kommen von dort, was den Staat zu Deutschlands wichtigstem Gasversorger macht.

Auch dank langfristiger Lieferverträge hatten die Embargos keinen Einfluss auf das Gasgeschäft. Stattdessen will der russische Erdgaskonzern Gazprom zusammen mit europäischen und US-amerikanischen Partnern die Ostseepipeline Nord Stream ausbauen. Das trifft einzig die Ukraine. Von 2020 an soll kein russisches Gas mehr durch das Bürgerkriegsland nach Westeuropa fließen.

In die andere Richtung läuft der Warenaustausch aber bei Weitem nicht mehr so gut. Von Januar bis Mai 2015 seien die deutschen Exporte nach Russland gegenüber dem Jahr 2014 um 34 Prozent eingebrochen, teilte der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft Ende Juli mit. »Aufs Gesamtjahr 2015 hochgerechnet müssen wir von einem Rückgang der deutschen Exporte nach Russland um zehn Milliarden Euro auf dann insgesamt nur noch 20 Milliarden Euro ausgehen«, so Ost-Ausschuss-Vorsitzender Eckhard Cordes damals. Im Rekordjahr 2012 waren noch Waren im Wert von 38 Milliarden Euro in das Land exportiert worden.

Vor allem die Maschinen- und Autobauer treffen die Sanktionen, die auch den Großteil der deutschen Exporte nach Russland ausmachen. Der Autobauer Opel etwa stellt wegen der Absatzkrise in Russland seine Geschäfte bis zum Jahresende komplett ein. Den Maschinenbauern gingen vergangenes Jahr Umsätze im Wert von 1,3 Milliarden Euro verloren. Aufgrund ihrer traditionellen Nähe zu Russland leiden besonders die ostdeutschen Maschinenbauer. Diese sind zudem oft kleiner und können deswegen nicht so leicht auf andere Märkte ausweichen.

Das Einfuhrverbot von EU-Lebensmitteln schlägt bei den deutschen Bauern übrigens mit 600 bis 800 Millionen Euro zu Buche - besonders Fleisch- und Milchproduzenten spüren dies.

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