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Weiter auf der Scheselongstraße

Partnerschaften mit Städten im Ausland gibt es schon lange, sie bedürfen besonderer Pflege

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Städtepartnerschaften über Ländergrenzen hinweg entstanden mitunter schon vor langer Zeit. Gefragt sind enge Kontakte mit Kommunen im Nachbarland Polen, doch dort tut man sich damit schwer.

Ende der 1960er Jahre ging das Industriestädtchen Hennigsdorf (Oberhavel) eine Partnerschaftsbeziehung zum französischen Ort Choisy-le-Roi ein. Einige Jahre später wurde aus diesem Grunde auch eine Straße im Neubaugebiet der Stadt Choisy-Le-Roi-Straße getauft. Weil das aber niemand richtig aussprechen konnte, wurde im Volksmund rasch die »Scheselongstraße« daraus.

Es ist eine jener Partnerschaften, die die Wendewirren gut überstanden haben und - wenn man dem Internetportal der Stadt Hennigsdorf folgt - sogar ausgebaut wurden. Ein regelmäßiger Austausch von Schülern des Hennigsdorfer Gymnasiums mit der Partnerschule aus Choisy-le-Roi habe sich demzufolge in den letzten Jahren wieder etabliert. Und im kulturellen Bereich gebe es über die Musikschule Hennigsdorf und das Konservatorium von Choisy-le-Roi enge Kontakte.

Am 7. Oktober 1974 hatte Hennigsdorf auch einen Freundschaftsvertrag mit der tschechischen Stadt Kralupy nad Vltavou unterzeichnet. Als die Hochwasserkatastrophe im Sommer 2002 die Partnerstadt an der Einmündung des Zákolanský potok in die Moldau schwer heimsuchte, half Hennigsdorf unkompliziert. Nach der Wende ergänzte eine innerdeutsche Partnerschaft mit Alsdorf (Nordrhein-Westfalen) das Portfolio. Und am 24. August 2012 wurde als jüngste Vereinbarung die Partnerschaft mit dem polnischen Wroda Wielkopolska unter dem Motto »Gemeinsam in Europa« im Saal der Stadtverordnetenversammlung beurkundet.

Partnerschaftsbeziehungen aus DDR-Tagen werden »prozentual aktiver« gepflegt als jene, die später eingegangen wurden, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Karl-Ludwig Böttcher, auf Nachfrage. Auch, wenn es da nach der Wende »eine Delle« gegeben habe. Für die brandenburgische Landeshauptstadt Potsdam gilt das nur sehr eingeschränkt. Als DDR-Bezirksstadt unterhielt die Havelmetropole beispielsweise Potsdam seinerzeit unter anderem Beziehungen zur bulgarischen Nordregion Russe, zur Hauptstadt der damaligen Belorussischen Sozialistischen Sowjetrepublik Minsk und zur polnischen Stadt Opole aber auch zum finnischen Jyväskylä und sogar zu Bonn. Heute pflegt Potsdam enge Partnerschaftsbeziehungen zu sieben Städten: Bobigny (Frankreich), Luzern (Schweiz), Perugia (Italien) und Sioux Falls (USA) - aus DDR-Zeiten haben sich die Bande zu Bonn, Jyväskylä und Opole erhalten.

Brandenburg sei an engen Beziehungen zu Polen interessiert, und es seien einige Partnerschaften wiederbelebt worden, bestätigte Böttcher. Doch insgesamt könnten die Partnerschaftsbeziehungen zu Polen besser sein. Das liege an der polnischen Seite mit ihrer komplizierten Verwaltungsstruktur. Die dort herrschende weitgehende »Zentralismushörigkeit« habe es auch dem Städte- und Gemeindebund bislang unmöglich gemacht, eine Partnerschaft mit dem polnischen Kommunalen Spitzenverband hinzukriegen.

Rund 20 Jahre nach Gründung des in Potsdam angesiedelten Deutsch-Polnischen Jugendwerkes haben die Aktivisten den Eindruck, dass die Orientierung von Jugendlichen eher auf Westeuropa, die USA oder Australien gerichtet ist und für viele deutsche Jugendliche das Nachbarland Polen als exotisch gilt. Auch für Polen hat hat die Exklusivität Deutschlands ein wenig nachgelassen, seit die EU-Mitgliedschaft des Landes auch Jugendkontakte zu anderen europäischen Staaten erleichtere. Brandenburgs Landtag hat im kürzlich verabschiedeten Doppelhaushalt für die Jahre 2015/2016 insgesamt 100 000 Euro bereitgestellt, um Klassenfahrten nach Polen zu unterstützen.

In den 1970er Jahren wurde die Gastronomie Potsdams durch das Restaurant »Minsk« bereichert, eine begehrte Adresse, die baulich auch an die Architektur der damaligen osteuropäischen Partnerstadt anknüpfte. Das »Minsk« steht seit vielen Jahren leer und offenbar auch bestimmten Verwertungsabsichten im Wege. Das Angebot des Landssportbundes, daraus einen Kindergarten zu machen, hat die Stadt vor wenigen Tagen ausgeschlagen. Nicht nur für das inzwischen stark ramponierte Gebäude bedeutet das nichts Gutes.

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